Stadt.Land.Kultur. > Efringen-Kirchen >

Lutherkirche Efringen - Gedenkstein für Pfarrer Mauritii

Efringen - Lutherkirche
Foto: Museum in der ‘Alten Schule’ / Maren Siegmann.
Gedenken an einen Pfarrer
Foto: Museum in der ‘Alten Schule’ / Maren Siegmann.
Inschrift - hebräisch
Foto: Museum in der ‘Alten Schule’ / Maren Siegmann.
Disputatio philologica de Cabala quam ...
... sub praesidio ... Dn. Baltasaris Scheidii ... publice defendere suscepit Martinus Mauritii ... author; gedruckt in Straßburg 1657. Permalink: urn:nbn:de:bvb:12-bsb10831777-7.
Tractatus Philologicus De Sortitione ...
.. Veterum, Hebraeorum inprimis ex S. Scriptura, Talmude, Paraphrasibus & Commentatoribus, aliisque tam Hebraeorum quam exterorum monumentis congestus. In quo Plurima S. Scripturae loca illustrantur; gedruckt in Basel 1692.Permalink: urn:nbn:de:bvb:12-bsb11096248-2.
De Re Vestiaria Hebraeorum ...
... libri quatuor, quibus universum hoc argumentum ex ipsis Hebraicae antiquitatis fontibus, S. Codice, Targunim, seu paraphrasibus Chaldaicis et Syriacis, Talmude, Commentatoribus Biblicis et Talmudicis aliisque scriptoribus idoneis, veteribus et recentioribus, pertractur atque eadem opera innumera sacrae scripturae V. et N. loca exponuntur et illustrantur. Fertiggestellt 1685 in Söllingen. Universitätsbibliothek Gießen, Hs 593. Permalink: urn:nbn:de:hebis:26-digisam-147404.
Basler Talmud
"Talmud bavli", Bd. 1, gedruckt bei Froben in Basel 1579 (Titelblatt). Permalink: urn:nbn:de:bvb:12-bsb10140275-7.

Beschreibung

Ein Gedenkstein für einen Pfarrer. Martin Mauritii (geboren 1636 in Wollbach, Sohn von Martin Mauritii, Pfarrer, und Enkel von Martin Mauritii, Pfarrer) war von 1698 an Seelsorger in Efringen. Er starb 1703.

Wie für Pfarrer des 17. und 18. Jahrhunderts üblich, hat er vor Efringen in vielen Pfarreien gewirkt: 1659-1660 in Vogelbach; 1660-1670 in Hertingen; 1670 bis ca. 1678 in Mappach; 1678-1679 in Wollbach. Dort wurde er abgesetzt, wieder eingesetzt und angestellt als praeceptor II in Pforzheim. Ab 1684 war er in Söllingen; ab 1689 in Broggingen und 1690 bis in 1698 Hauingen. Zweimal verheiratet: mit Anna Greßlin, der Tochter des Vogts in Wollbach; sie starb 1667, und danach mit Anna Katharina Strobel, der Witwe des Burgvogts Zangmeister in Rötteln.

Wer genau hinschaut, entdeckt eine kleine Inschrift oben im Stein, über dem eingemeisselten Lebenslauf: eine hebräische Inschrift. Kein Zufall! Mauritii hatte 1655-1658 in Straßburg studiert. Theologie. Aber auch Hebräisch, und zwischen 1657 und 1692 wird er eine Reihe von Werken verfassen, die sich mit hebräischen Texten und dem jüdischen Glauben beschäftigen.

"Das Andenken des Gerechten zum Segen" steht dort - eine Segensformel, die verstorbenen (jüdischen!) Gelehrten beigegeben wird. Wer hat diesen Text beauftragt - Mauritii selbst, ein christlicher oder gar jüdischer Fachkollege ? Wer hat ihn gemeisselt ? Wissen wir nicht, leider.

Hebräisch zu lernen, war Mitte des 17. Jahrhunderts keine neue Idee. Angefangen hat es mit der Reformation - der Christ soll die Bibel lesen können. Am besten im Original, und nicht nur als Übersetzung. Im Hickhack zwischen den verschiedenen Reformatoren und der katholischen Gegenreformation verhärten sich die Fronten - Talmud-Ausgaben und andere jüdisch-rabbinisch-religiösen Texte seien zu verbrennen (so schreibt Martin Luther 1543) bzw. stehen (ab 1599) auf dem Index der Verbotenen Bücher des Vatikan. Im 17. Jahrhundert wollen jedoch immer mehr Gelehrte die jüdischen Traditionen kennen lernen, um die biblischen Texte besser verstehen und interpretieren zu können.

Schon im 16. Jahrhundert lernen Gelehrte in Basel hebräisch. Und lassen hebräische Werke drucken (okay, zum Teil eher schlecht als recht). Und so kommt es, dass sich (eigentlich) keine Juden in Basel aufhalten dürfen, (uneigentlich) aber jüdische Sprachlehrer, Lektoren, Letterngießer, Schriftsetzer, Drucker unverzichtbar sind. Es scheint viel Gemauschel stattzufinden, um diesen Fachkräften ihre Arbeit in Basel möglich zu machen. Zum Beispiel der Basler Talmud, gedruckt 1578-1581: dreissig Millionen Buchstaben, verteilt auf sechs große dicke Bände, 1100 Exemplare. Dazu mussten ausrechend Lettern in vier Größen gegossen werden, mindestens zehn Setzer waren drei Jahre lang täglich im Einsatz. Heute: im Projekt VD16 digitalisiert, 29 Bände.

Für Normalbürger ist der Besitz von jüdischen / hebräischen Büchern gefährlich, es droht eine Anzeige wegen Zauberei.


"Unser" Pfarrer ist Teil der (christlichen) gelehrten Welt, und er ist in ihr sehr angesehen..

"Unser" Pfarrer lebt aber auch in schlimmen Zeiten, ein Krieg jagt den anderen. In Mappach erwischt es ihn: „Ime Pfarrern Marthino Mauritzy haben die Soldaten 10 Saum Wein in keller außlauffen laßen, wenigst. 10 Malter Früchten, Item sein Rindervieh und schaf, bethgewandt, Leinwant und aller hant Mobilien Sambt vielen guthen Büchern, auch Kupfer und Eisengeschirr, heüw, Omet, Stroh obß und dergleichen mehr genommen, faß und bockhen, die er gehabt seind verbrennet, und sein mehrstes Schreinwerckh zerschlagen, daß er Also den großen Schaden, welchen er Empfangen Kaum Selbsten berechnen kan.“

 

(Text: Museum in der ‘Alten Schule’ / Dr. Maren Siegmann / 2024)