Kirchen ist die südliche Hälfte des Zentralorts von Efringen-Kirchen.
Kirchen liegt auf einer Schotterterrasse im Rheintal
Geschichtliches
Chirihheim. So heißt der Ort in der ältesten Urkunde von 814/15. Im ganzen Ort verstreut liegen kleine und größere Grabgruppen. Seine Toten auf dem eigenen Hof zu beerdigen war in den Jahrzehnten um 700 üblich; 7-9 Grabgruppen deuten auf ebensoviele Höfe. Zwei Höfe sind bemerkenswert: "Der Hof" und "der Hof auf dem Berg". Der "Hof auf dem Berg", auch "Meier auf dem Berg" oder "Hofgut zur Bromen" wird ab 1329 genannt. Er gehörte wohl zu den Gütern, die die Familie von Kirchen im frühen 13. Jh. über Umwege an das Basler Stift St. Peter verkauft hat. Letzte Reste wurden 1940/41 ausgegraben: Gräber, Mauern, reiches Fundmaterial aus dem 9.-15. Jh. Der letzte von Kilchen in Kirchen - Heinrich, genannt zur Brame - lebte noch bis 1272 hier, dann zog die Familie nach Basel.
Wichtiger als der "Hof auf dem Berg" war "Der Hof". Nicht irgendein Hof, sondern ein Königshof. Mehrfach haben hier Könige bzw. Kaiser Rast gemacht. Heinrich II. schenkt den Hof dem Kloster St. Georgen in Stein am Rhein, St. Georgen verkauft 1272 an die Habsburger. 1361 hat ihn Petermann von Grünenberg als habsburgisches Lehen, 1416 Hemman von Grünenberg. Kurz danach verliert sich seine Spur.
Kirchen war im Mai und Juni 887 Zentrum des karolingischen Reiches - ein Reichstag, ein Eklat führt zur Trennung von Kaiser Karl III. von seiner Ehefrau Richgard. Hochrangige Personen waren hier, dazu Personal, waffentragend und zivil, vermutlich mehrere tausend Leute. Auch eine Delegation aus Paris - die Dänen wollen den ihnen 885 versprochenen Tribut. Leider wissen wir nicht, wie hoch das Schmiergeld für die Nicht-Zerstörung der Stadt Paris war, aber es wurde in Kirchen übergeben. Zeittypisch wären 6.000 bis 12.000 Pfund Gold und Silber.
Den Königshof finden! Herzenswunsch des Pfarrers Julius Schmid, der ab 1907 mit einer Sondierstange den Bergrain durchstochert. Er wird fündig: spätbronzezeitliche Urnen, ein Haus mit vielen römischen Funden (III), ein abgebranntes Haus mit einigen römischen Funden (I), ein Haus mit Brandresten, aber ohne Funde (II). In und um Häuser I-III: kein Fund aus der Karolingerzeit, keine 887 verlorene Münze oder zerschlagener Topf, kein Fund aus dem Hoch- und Spätmittelalter. 1909 hält Schmid alle Gebäude für römisch. 1911 sind I und II für ihn die Reste des Königshofes. Zumindest, bis er besser passende Baulichkeiten entdeckt ... Schmid hat den Königshof und den "Hof auf dem Berg" für ein und denselben Hof gehalten, und deshalb wohl an der falschen Stelle gesucht.
Kirchen war bis 1848 größer und bedeutender als Efringen. Das ändert sich, als Efringen die (vorläufige) Endstation der Badischen Bahn wird. Ein beträchtlicher Teil der Kirchener Bevölkerung Mitte des 19. Jh. war jüdischen Glaubens - Kirchen hatte eine bedeutende jüdische Gemeinde. Ihren Anfang nahm sie um 1736, als mehrere aus Dornach vertriebene Juden markgräfliche Schutzbriefe erhielten. Die jüdischen Einwohner teilten mit ihren christlichen Nachbarn die Nöte und Entbehrungen der Revolutions-, Kriegs- und Hungerjahre; dazu kamen spezifische Nöte und spezielle Schikanen, die nur die jüdische Bevölkerung zu tragen hatte. Hausierhandel z.B. mit Kaffee oder Zucker, oder aber Viehhandel waren die überwiegende Lebensgrundlage. Die Eisenbahn veränderte den Viehhandel, und im späten 19. Jh. ist die jüdische Gemeinde im Schrumpfen begriffen. Bis in die 1930er-Jahre schrumpft die Gemeinde weiter, im Zuge der Reichspogromnacht wurden zahlreiche Männer interniert. Im September 1939 werden dann die Kirchener - alle Kirchener - evakuiert, Kirchen liegt (wie die anderen Rheinanlieger-Gemeinden auch) in der "Roten Zone". Hier ist mit Kriegsbeginn mit französischer Gegenwehr zu rechnen (Kirchen erleidet große Schäden), deshalb müssen Zivilisten die Orte räumen. Die christlichen Kirchener kehren ab Dezember nach Kirchen zurück. Den jüdischen Kirchener wird dies verboten; sie werden im Oktober 1940 aus ihren Ausweich-Quartieren nach Gurs deportiert. Es überlebt fast niemand.
(Text: Museum in der ‘Alten Schule’ / Dr. Maren Siegmann / 2024)