Das erste seiner Art! Als man 1940 eine sonderbare Höhle als Feuersteinbergwerk identifizierte, war es das erste bekannte jungsteinzeitliche Bergwerk überhaupt. In ganz Europa.
Heute sieht es anders aus - zahlreiche Bergwerke, ja ganze Bergbaureviere auf Feuerstein (Silex, Flint) hat man seitdem gefunden und archäologisch untersucht. Holzkohle-Brösel zeigen, dass zwischen 4250 und 4050 vor Christus an der Kleinkemser Felswand Leute gearbeitet haben.
Mehrfach waren Archäologen dort - und: einen Teilbereich der Ausgrabungen 1951-1953 hat man nicht wieder zugeschüttet. Dieser heute sichtbare Teil stellt nur einen kleinen Abschnitt der ehemaligen Abbau-Bereiche dar!
Das Bergwerk ist geschütztes Kulturdenkmal. Es wird betreut vom Förderkreis des Museums in der ´Alten Schule´. Leider ist der Zugang schwierig, so dass das Bergwerk nur am Tag des Geotops (3. Sonntag im September) besichtigt werden kann. Kleinkems ist deutschlandweit das einzige "Besucherbergwerk" auf Silex/Feuerstein/Flint: steinzeitliche Abbauspuren sind nur hier zu sehen, nirgends sonst.
Fundgeschichte
Eine Steilwand am/im Rhein. Kalk, darin in mindestens vier Lagen eingeschlossen Silexknollen. In der Steilwand letzte Spuren von Abbauterrassen und einige Weitungen, darin Negativabdrücke von Silexknollen und Hau- bzw. Abbauspuren jungsteinzeitlicher Schlegel ... So könnte die Kurzbeschreibung aussehen.
Die Nutzung des Silex aus Kleinkems beginnt im Mittelpaläolithikum (das ist die Zeit der Neandertaler). Das Material dient dann in zeitlicher Folge Jägern, Sammlern und Fischern der Alt- und Mittelsteinzeit als Material für Werkzeug aller Art. "Markgräfler Jaspis" fand sich dabei vor Ort ebenso wie in entfernten Regionen - in Weltkulturerbe-Höhlen auf der Schwäbischen Alb z.B., oder im mittelrheinischen Gönnersdorf. Allerdings läßt sich oft nicht sagen, ob der dort gefundene weiß-graue Silex aus der Steilwand am Rhein oder aus einem der anderen Vorkommen zwischen Feldberg und Liel stammt. Diese Lagerstätten scheinen im Paläolithikum und Mesolithikum viel mehr Material geliefert zu haben als die Felswand am Rhein.
Das Kulturdenkmal südlich von Kleinkems verdankt seine Entdeckung - wie so oft - dem Zufall. Für die dort ansässige Zement-Fabrik sollte ein neues Gleis geschaffen werden, Platz musste her, also wurde ein langer Abschnitt der Felswand gesprengt und eine steile Schutthalde abgetragen. Das war im Januar 1939 - und zum allgemeinen Grusel rollten den Arbeitern Gefäßscherben, Tierknochen und ein menschlicher Schädel vor die Füße. Glücklicherweise konnte die Fundstelle sehr zügig archäologisch untersucht werden. Die Funde stammten aus einer Höhle; Knochen und Gefäße gehörten zu einer zerstörten Bestattung.
Sorgfältig zusammengelegte Gerölle, eine zweite Bestattung, Silexsplitter, Feuerspuren und Massen an feinem Kalkschutt gaben zunächst Rätsel auf. 1940 tauchte dann die Idee auf, es handele sich vielleicht um eine Silexgrube - und so untersuchten Heimatpfleger Friedrich Kuhn und der Archäologe und Sedimentologe Robert Lais im Spätherbst 1940 den Platz genauer. Die Ergebnisse dieser Forschungen wurden 1948 publiziert; die stark naturwissenschaftliche Ausrichtung dieser Arbeit war richtungweisend.
1950 greift wiederum der Zufall ein - die Basler Archäologin Elisabeth Schmid lernt den Leiter des Deutschen Bergbaumuseums Bochum kennen. Aus dieser Begegnung heraus kam es 1951 zur zweiten Ausgrabung an der Steilwand südlich von Kleinkems. Die Kooperation von Archäologen und Bergwerkspezialisten erwies sich als besonders fruchtbar. Das Fundmaterial war eher speziell - Kalkschutt in unterschiedlichen Körnungen, Holzkohle, Silexsplitter. Und: Geröllschlegel, heil, beschädigt, zertrümmert. Tausende. Wieder wird bei Ausgrabung und Auswertung wissenschaftliches Neuland betreten, begleitend zur archäologischen Erforschung der Fundstelle werden Experimente zur Abbauweise und der Art des dabei entstehenden Abraums durchgeführt.
Datieren lässt sich die Fundstelle in den 1950er-Jahren nur über die Grabbeigaben. Die Gräber waren im Abraum angelegt, also jünger als dieser, und gehören der Michelsberger Kultur an.
Noch ein drittes Mal lockt die Fundstelle Archäologen an. 2003 wollte die Crew der Universität Basel (Prof. Siegmund) vor allem Holzkohle für eine 14C-Analyse zu finden. Es konnten zwei Abbau-Perioden unterschieden werden, wobei Holzkohle den jüngeren Abbau auf ca. 4250-4050 v. Chr. datiert.
2008 fiel das letzte Gebäude der "Zementi". Womit niemand rechnete: jungsteinzeitliche Abbauspuren unter dem Gebäude, und wieder Geröllschlegel. Hunderte. An dieser Stelle hatten die Bergleute von oben einen Schacht gegraben, um an die Knollen zu kommen.
Schon Prof. Elisabeth Schmid hatte die gesamte Felskante auf mögliche weitere Abbauspuren abgesucht. Und wurde fündig: in einer zum Kohlenkeller umgebauten Weitung bei Kleinkems. In einer Baugrube. Um die Ruine Neuenburg herum. Silexvorkommen (samt Steilwänden) gibt/gab es auch noch weiter südlich, so am Buchgraben oder am Hardberg. Kalkgewinnung und/oder der Bau der Eisenbahn haben hier aber alle evtl. ehemals vorhandenen prähistorischen Abbauspuren vernichtet.
Möglicherweise waren zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Stellen kleinere Gruppen bergmännisch aktiv. Und das bis in die jüngste Vergangenheit: "Markgräfler Jaspis" aus den verschiedenen Lagerstätten war im mittelalterlichen und neuzeitlichen Steinschleifer-Gewerbe von Freiburg bis Prag begehrtes Rohmaterial. Silex aus Kleinkems, aus dem Altinger Stollen, aus dem Hertinger Wald wurden in Freiburg und Waldkirch zu Perlen für Rosenkränze geschliffen. Er schmückt als Pietra-Dura-Arbeit prachtvolle Möbel, zu Pokalen und Schaustücken geschliffen fürstliche Schatzkammern. "Markgräfler Jaspis" kommt in grau gebändert daher (die Knollen aus Kleinkems sind immer grau). Und prachtvoll-bunt in rot, gelb, rot-gelb, gelb-rot. Das Rot warm und gelbstichig, oder - noch wertvoller - ein rosastichiger "fleischfarbener" Ton. Das ganze attraktiv gebändert, gemustert, mit interessanten Farbverläufen.
Vom Rhein stammt ein Hortfund der besonderen Art: 2009 bargen Freiburger Archäologen 250 bis 300 Kleinkemser Silexknollen, Vorrat einer 1680 zerstörten Steinschleiferwerkstatt.
Die "Markgräfler Jaspise" werden im 18. Jahrhundert zum umkämpften Zankapfel zwischen dem Markgrafen (der sie für Verhandlungsgeschenke braucht) und den Bergknappen (die sie für gutes Geld ausser Landes schmuggeln).
Und nein, um “Jaspis” nach heutiger Definition handelt es sich beim “Markgräfler Jaspis” nicht. Dieser Name stammt aus den verschiedenen Urkunden, Akten, Dokumenten, Berichten vom ausgehenden Mittelalter bis in das frühe 19. Jahrhundert. Es ist eine historisch gewachsene Bezeichnung, keine geologische Klassifikation.
(Text: Museum in der ‘Alten Schule’ / Dr. Maren Siegmann / 2024)