"In einem Acker unter der Kapelle gegen Huttingen zu Gräber. Aus einem ein (scrama)sax ..." Die gefundene Waffe - ein Kampfmesser - würde die Gräber in das 7. Jh. n. Chr. datieren. Würde. Wenn nicht heute unter der betreffenden Inventar-Nummer ein Bajonett des 19. Jahrhunderts verwahrt wäre. Falsch bestimmt? Falsch beschriftet? Zwei oberflächlich ähnliche Waffen versehentlich in die jeweils falsche Schachtel gelegt? Das wird sich wohl nicht mehr klären lassen, leider.
Im Herbst 1900 deckte man auch Plattengräber auf, auch dicht neben der Kapelle. Plattengräber werden ab ca. 700 üblich. Stand hier schon im 9. oder gar 8. Jh. eine kleine Kirche?
1829 dient die Huttinger Kapelle als Vermessungspunkt, sie wird gezeichnet und beschrieben. Ein kleiner Kirchenbau, mit wenigen hochliegenden kleinen Fenstern, der bis 1900 noch mehrfach verändert wird. Dann tabula rasa - die mittelalterliche Kapelle wird abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Neoromanisch, ganz modern. Ein Herzensprojekt des Isteiner Pfarrers. Eine gut erkennbare Landmarke in Kriegszeiten. Und so wird die Kapelle 1914 vorsichtshalber gesprengt, nur das Sakristei-Häuschen blieb stehen.
Von der Nikolaus-Kapelle Huttingen aus war die (heute verschwundene) Jakobs-Kapelle von Wintersweiler zu sehen. Dies und einige römische Scherben in der Umgebung haben im 19. Jh. zu der Idee geführt, die Huttinger Kapelle sei aus römischen Steinen an der Stelle eines römischen Wachturms errichtet worden. Das 19. Jh. war insgesamt reich gesegnet mit Römerphantasien aller Art, auch die Bezeichnung "Römerstraße" für die Straße nach Blansingen ist ein Produkt dieser Zeit.
(Text: Museum in der ‘Alten Schule’ / Dr. Maren Siegmann / 2024)