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Kapelle St. Josef

St. Josef: Seitenansicht (2014)
Verortung: Kapellenstr. 3 (Ortsteil: Deuringen). Bild: Stadt Stadtbergen.
St. Josef (2014)
Bild: Stadt Stadtbergen.
Anwesen Beim Kallart; im Hintergrund die Kapelle (um 1940)
Bild: LRA Augsburg; Dr. Hans Eberlein/Sammlung Werthefrongel.
Die Straßen noch unbefestigt, in den Gräben wuchert das Kraut (um 1960)
Bild: LRA Augsburg; Dr. Hans Eberlein/Sammlung Werthefrongel.

Beschreibung

Die 1736/38 errichtete Kapelle steht an zentraler Stelle nahe der Kreuzung der Wege nach Stadtbergen bzw. nach Diedorf und stellt in diesem platzartigen Ensemble mit ihrem Zwiebeltürmchen einen besonders malerische Akzent dar. Gleichzeitig vertritt sie schräg gegenüber der modernen Kirche St. Garbiel das historisch gewachsene Element im Siedlungsbild.

Architekturgeschichtliche und kunsthistorische Erschließung

Das kleine Kirchenschiff ist von Norden nach Süden gerichtet und schließt mit einem halbrunden Altarraum gleicher Breite ab. Die Apsis ist durch zwei Fenster mit eingezogenen Rundbogen belichtet, die in Sechseckverbleiung verglast sind. Dieselben Fenster folgen in der ersten Achse der Längsseiten, während die hinteren auf der Höhe des Rundbogens reduziert sind. Auf der nördlichen Eingangsfassade sitzt ein deutlich vorkragender achteckiger Giebelreiter mit zugespitztem Sockel, rundbogigen Schallöffnungen und kupfergedeckter Zwiebelhaube. Unten flankieren zwei kleine Querovalfenster („Ochsenaugen“) die schlichte Rechtecktür, die ein schmales ziegelgedecktes Gesims mehr ziert als schützt.

Der weiß getünchte Innenraum ist zunächst flach gedeckt mit ausgerundetem Übergang zu den Wänden. Zum Altarraum hin geht die Decke über in eine flache Stichkappentonne auf grau marmorierten Pilastern. Über den Eingang erhebt sich eine kleine Empore mit schlicht in Gelb gefelderter Brüstung.

Die Ausstattung beschränkt sich auf den Altar, einen Kasten und das Gestühl (mit glatten, geschweiften Wangen) sowie einer Reihe interessanter Skulpturen. Der Altaraufbau (über schlicht gefeldertem Tisch mit zentralem Kreuz) besteht aus dem verbreiterten, geschweift konturierten Rahmendes Altarbildes, das im nazarenischen Stil des Hl. Joseph mit Jesuskind darstellt. Altartisch und Rahmen sind zweifarbig marmoriert und im geschnitzten Zierrat vergoldet. Die Bekrönung bildet ein Puttokopf mit ausgebreiteten vergoldeten Flügeln. Zu Seiten des Altars stehen auf Konsolen die beiden ältesten Skulpturen der Kapelle, die Apostelfürsten Petrus und Paulus. Die extrem schlanken Bildwerke sind mit ihren Anklängen an spätgotische Stilmerkmale in die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts zu datieren. Auffällig ist die barockförmige Ausformung der Köpfe (besonders bei Paulus feststellbar), die an eine nachträgliche Ergänzung denken lässt. Eine reizende Barockfigur ist die Muttergottes mit Jesuskind aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die als Hinweis auf die Überwindung der Erb-/Ur-/Grundsünde der Schlange den Kopf zertritt. Gegenüber, am rechten Pilaster neben dem Altar, steht die Figur des Hl. Leonhard in schwarzer Benediktinerkutte und ausgestattet mit Buch sowie dem Stab, der ihn als Abt kennzeichnet. Ähnlich „volkstümlich“ wie der Viehpatron Leonhard waren und sind die beiden Pestheiligen Sebastian und Rochus, deren Skulpturen – wohl noch dem 17. Jahrhundert – vor den beiden hinteren Pilastern stehen. Der anatomisch fein durchgebildete, trotz der großen Geste der Arme ausgewogen ponderierte Sebastian an der Martersäule stammt sicher von anderer Hand, als der thematisch und im Format gut dazu passende Rochus mit der Pestbeule am Oberschenkel, der trotz seiner kargen Körperlichkeit und der etwas hölzernen Haltung den Betrachter doch unmittelbarer anspricht. An der Südwand hängt des Langhauses hängt ein schöner Kruzifixus, der ebenfalls noch in die Mitte des 17. Jahrhunderts datiert wird. Das Haupt des Gekreuzigten ist im Tode auf die Schulter gesunken.

Aus: Leudemann, Norbert (1992): „Bau- und Kunstdenkmäler in der Marktgemeinde Stadtbergen“. In: Gunther Gottlieb, Walter Pötzl (Hg.): Ortsgeschichte der Marktgemeinde Stadtbergen. Stadtbergen, Leitershofen, Deuringen, 1. Aufl. Augsburg: Pröll Druck und Verlag GmbH Augsburg, S. 255–298, hier S. 286–287.

Glossar

Apsis: Ein im Grundriss halbkreisförmiger oder polygonaler, d. h. vieleckiger, Raumteil, der an einen Hauptraum anschließt.

gefeldert: süddt. für abgenutzt, zerschlissen.

Gesims: Horizontales Bauglied, das der Gliederung der Fassade dient.

nazarenisch: abgeleitet von Nazarener. Kunsthistorisch hat es sich eingebürgert, den Begriff Nazarener auf Maler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts anzuwenden, die religiöse Inhalte in Altarbildern und Kirchenfresken behandelten und dabei der Kunstauffassung der ursprünglichen Lukasbrüder nahestanden.

Pilaster: Wandpfeiler mit Basis und Säulenknauf.

ponderiert: gleichmäßige Verteilung des Gewichts der Körpermassen auf die stützenden Gliedmaßen.

Putto: Eine Kindergestalt in der Skulptur und Malerei , die meist wenig bekleidet oder nackt auftritt, mit oder ohne Flügel.

vorkragen: hinausragen.

Verortung: Kapellenstr. 3 (Ortsteil: Deuringen).