Neben dem Stadtberger Rathaus steht in der Ecke zwischen Leitershofer Straße und Oberem Stadtweg die südlich ausgerichtete Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes (auch "zur Barmherzigen Mutter" genannt), wahrscheinlich ein Bau des Jahres 1712.
Architekturgeschichtliche und kunsthistorische Erschließung
Das kleine Schiff schließt mit halbrunder Apsis, außen akzentuiert durch ein hochovales, sehr tiefes Blendfenster, das möglicherweise ehemals offen war. In den Seitenwänden sitzen querovale Fenster. Die nördliche Eingangsfront öffnet sich mit einem sehr breiten Korbbogenportal, das heute mit verglastem Holzgitter verschlossen ist. Seitlich tragen massive Eckpilaster mit kräftigem Sockel und Kämpfergesims den dem Satteldach vorgeblendeten Giebel mit stark geschweifter Kontur. Im Giebelfeld steht in einer Rundbogennische die Schnitzfigur des Christus an der Geiselsäule vom Typus des „Wiesheilands“.
Im Inneren blickt man auf einen üppig gegliederten und dekorierten Altar in marmorierter Fassung und mit polychromer Skulpturenausstattung. Die gestaffelt angeordneten Doppelsäulen tragen einen gesprengten Giebel mit geschweift abgewinkelten Eckstücken und deutlich nach oben abgesetzter, ebenfalls geschweifter Spitze, vor der die Skulptur Gottvaters schwebt. Das Giebelfeld füllt die Taube des Heiligen Geistes vor großem Strahlenkranz mit Gewölk, flankiert von zwei Putto-Engeln.
In der großen Rundbogennische zwischen den Säulen steht die auf das Patrozinium bezogene Skulptur der „Pieta“, auch „Versperbild“ genannt. Auf dem Schoß seiner trauernden Mutter liegt der Leichnam Jesu, der in betonter Hinwendung zum Betrachter dessen mitfühlende Andacht erweckt. Die gekonnt dargestellte Anatomie des erschlafften Körpers und die lebendige Faltengebung im Gewand Mariens bezeugen das künstlerische Vermögen des unbekannten Bildhauers.
Von anderer Hand stammen wohl die beiden Statuetten der Heiligen Sebastian und Rochus, bäuerliche Schutzpatrone gegen Viehseuchen und Pest, die auf den seitlich an den Altar angesetzten Konsolen stehen. Der Altar ist insgesamt von einheitlichem Charakter und zusammen mit seiner skulpturalen Ausstattung der Erbauungszeit der Kapelle zuzuordnen.
Etwa ein halbes Jahrhundert später wurde das mit den Seitenfiguren des Altars begonnene Programm beliebter Bauernheiliger fortgesetzt durch die paarweise zusammengehörigen Skulpturen der Heiligen Wendelin und Notburga (zu datieren in das dritte Viertel des 18. Jahrhunderts) zu Seiten des Altars und der Hll. Leonhard und Antonius von Padua (aus der Mitte des 18. Jahrhunderts), die in muschelbekrönten Nischen der Seitenwände stehen.
Das ovale Deckengemälde zeigt eine, allerdings gestörte, freskale Darstellung der zum Himmel auffahrenden Hl. Maria, durch den Sternennimbus als „Unbefleckte Empfangene“ gekennzeichnet.
Der kleine, intime Raum der auch heute noch in bäuerlichen Privatbesitz befindlichen Kapelle war mit seiner Ausstattung nicht nur der Andacht vor der Schmerzhaften Muttergottes, die im Deckenbild als Siegreiche erscheint, sowie der Passion und der darin begründeten Erlösungstat Jesu Christi gewidmet, sondern bot auch Gelegenheit zur Anrufung des ganz persönlichen Patrons bei den die bäuerliche Gemeinschaft regelmäßig treffenden Gefährdungen.
Aus: Leudemann, Norbert (1992): „Bau- und Kunstdenkmäler in der Marktgemeinde Stadtbergen“. In: Gunther Gottlieb, Walter Pötzl (Hg.): Ortsgeschichte der Marktgemeinde Stadtbergen. Stadtbergen, Leitershofen, Deuringen, 1. Aufl. Augsburg: Pröll Druck und Verlag GmbH Augsburg, S. 255–298, hier S: 294–285.
Glossar
Apsis: Ein im Grundriss halbkreisförmiger oder polygonaler, d. h. vieleckiger, Raumteil, der an einen Hauptraum anschließt.
Nimbus: auch Gloriole genannt, ist eine Leucht- oder Lichterscheinung um den Kopf oder den ganzen Körper einer Personendarstellung.
Patrozinium: Schutzherrschaft eines Heiligen über eine Kirche/Kapelle.
Verortung: Oberer Stadtweg 2 (Ortsteil: Stadtbergen).