Stadt.Land.Kultur. > Wannweil >

Station 12 - Obere Mühle

Beschreibung

Mühlengeschichten

Über die Zuständigkeit der Mühlen, besonders an der reichsstädtischen Grenze zu Württemberg, wurde laufend gestritten, deshalb ist in alten Akten einiges über das Mühlenwesen, was die Orte Kirchentellinsfurt, Wannweil und Reutlingen betrifft, überliefert. In einem Schreiben des reichs-städtischen Rats an den Tübinger Vogt heißt es: „...Ferner hat damals, eine Viertelstunde von hier in Wannweyl eine Mühle gestanden, in die auch die Custerdinger und Jettenbrügger hauptsächlich gemahlen haben, die jetzt aber untergegangen und verbrannt ist und keine Hoffnung besteht, dass sie wie­der aufgebaut wird. Da im vergangenen Jahr das Mühlwerk der Stadt Reutlingen durch Hochwasser übel zerstört wurde, bekommt Imhof auch Reutlinger Mahlkunden, so dass er neben Kirchentellinsfurt, Wannweil, Kusterdingen und Jettenburg auch noch Kunden aus Pfrondorf, Altenburg und Sickenhausen hat und er so in seiner Mühle Tag und Nacht genug zu mahlen hat“.
Mit „Imhof“ ist der adlige Besitzer der Kirchentellinsfurter Mühle gemeint. Schultheiß Johann Jakob Kern, versichert am 14. November 1717 schriftlich, es sei ihm von seiner Obrigkeit nie verboten worden, in Kirchentellinsfurt zu mahlen. Schultheiß Steffan Walkher von Kirchentellinsfurt schickt das Schreiben Kerns mit an Pape, den Tübinger Vogt, und bezeugt am 15. November 1717 dessen Inhalt. Er fügt hinzu, „dass für die übrigen Reutlinger Orte, Betzingen, Ohmenhausen, Bronnweiler und Stockach, ja Betzingen eine Mühle hat, die auch 0hmenhausen und Bronnweiler (l/2 bzw. 3/4 Stunden entfernt) nutzen, Stockach aber, das 2 Stunden entfernt ist, in Dußlingen mahlt.“ 
Seit dem Abgang der dem Spital gehörenden Wannweiler Mühle im Dreißigjährigen Krieg, welche im Schreiben an den Tüber Vogt erwähnt wird, gab es erst wieder 1832 und 1835 Mühlen in Wannweil. Der Bauer Jakob Walz, geb. 30.11.1801 in Wannweil, baut 1832/33 eine Getreidemühle als Mahl- und Gerbmühle mit 5 Gängen an der Echaz, damit die Bauern nicht mehr auswärts zum Mahlen müssen. Nachdem Wannweil 1835 mit der unteren Mühle eine zweite Mühle bekam, nannte man sie die Obere Mühle. 1839 verkauft Walz die Mühle und zieht nach Oferdingen. Die Reihenfolge der Müller bis zur Stilllegung des Mahlbetriebes im Januar 2015: sie hießen Walz, Weiß, Raiser, Wetzel, Schlayer, Werner, Genossenschaftsmühle, Wandel, Möck und zuletzt Hennig.
Die Gemeinde Wannweil schließt 1909 mit Müller Werner einen Vertrag über Stromlieferung für die Ortsbeleuchtung. Es sollten für jährlich 210 Mark Elektrizität für 10 Straßenlampen geliefert werden. Die Gemeinde tritt aber vom Vertrag zurück und vergibt die Stromlieferung dem Herrenberger Kraftwerk. Nach Müller Werner übernahm eine Genossenschaft die Obere Mühle. Sie firmierte als Genossenschaftsmühle Wannweil GmbH. Das Fehlen eines persönlichen Eigentümers war bei früheren Hochwassern eine Gefahr, weil die Fallen nicht rechtzeitig gezogen wurden. Die Gemeinde war deshalb froh, als der Kusterdinger Georg Wandel die Mühle ersteigerte. Wandel ist 1936 von Wannweil weggezogen, sein Sohn Georg, Mitbesitzer der Mühle, ging nach Amerika. 
Johannes Möck, Müllermeister aus Willmandingen und Ehefrau Margarethe geb. Schrade übernahmen am 1. Mai 1936 die Obere Mühle Wannweil von Georg Wandel. Der Kaufpreis betrug 44.000 RM. In den 60er Jahren verpachtete die Witwe des Johannes Möck die Mühle an den Müllermeister Kurt Hennig. Dieser erwarb ein paar Jahre später das Anwesen. Das Wasserrecht hat Margarethe Möck vor dem Verkauf abgelöst. Bis dahin konnte noch mit Wasserkraft gemahlen werden. Um 1980 wurde die Mühle von den Familien Hennig und Albrecht modernisiert. Die äußere Gestalt des Gebäudes änderte sich durch die hohen Getreidesilos. Im Januar 2015 wurde letztmalig gemahlen. Die Familien Hennig und Albrecht trennen sich altershalber schweren Herzens von ihrem Lebenswerk. Im Februar 2015 wurde die komplette Mühleneinrichtung ausgebaut, damit das Mühlengebäude in ein Wohnhaus umgebaut werden kann. Der Mühlenladen wurde aber erhalten und wird mit einheimischen Mühlenprodukten weiterbetrieben.

Im Kirchentellinsfurter Heimatbuch von 2007 widmet Dr. Peter Maier der dortigen Mühle ein ganzes Kapitel. Die Kirchentellinsfurter Mühle ist seit 1292 urkundlich erwähnt und bot bis in die neuere Zeit stets Anlässe zu Streitigkeiten wegen Erbschaften, Wasserrechten und Mühlgerechtigkeiten. So beklagen sich 1847 die Domänenpächter des Einsiedels und neue Mühlenbesitzer darüber, dass durch die Inbetriebnahme der neuen Wannweiler Mühlen ihnen die Hälfte der Kundschaft wegfalle. Die Antwort der Obrigkeit: „Die Pächter seien ohnehin reiche und vermögliche Männer und sollten es sich nicht einfallen lassen, anderen rechtlichen Bürgern ihren Erwerb abzuschneiden“.

Link zu weiteren Informationen: https://simonwolperth.blogspot.com/2010/05/eichzeichen-der-oberen-muhle-in.html