Mittelalterliches Kleinod im Hunsrück
In keiner anderen Gemeinde an der oberen Nahe ist Geschichte so präsent wie in Herrstein. Das Erscheinungsbild des alten Ortskerns wirkt auf viele geradezu als Ideal einer mittelalterlichen deutschen Kleinstadt. Doch die Steine allein reden nur wenig und sind auch keineswegs Beweis für eine „große“ Vergangenheit.
Herrstein verdank seine Entstehung offensichtlich der Tatsache, dass sich die kleine Felsgruppe wo das Rinnsal Dietersbach in den Fischbach mündete, einigermaßen zur Anlage einer Burg eignete. Diese sollte offensichtlich dem Schutz der nahegelegenen herrschaftlichen Hofgüter bei (Nieder-) Wörresbach dienen. Am Fuße dieser Burg, auf dem sogenannten Herren-Stein, entstand, wie bei so vielen Burgen ein kleiner Ort.
Die genauen historischen Anfänge der Ortssiedlung verlieren sich im Dunkeln der Geschichte, aber am 9. April 1279 werden Herrstein und ein Ritter namens „Ruther von Heresteyn“ das erste Mal urkundlich erwähnt.
Der Landesherr, der Graf von Sponheim, verlieh schließlich dieser sich langsam entwickelnden Siedlung 1428 das Stadtrecht. Die Stadtbefestigung – von der wir nicht wissen, ob sie bereits vor der Stadterhebung oder erst danach entstand -bot nur bis zur Entwicklung der Feuerwaffen Schutz für die Bewohner und somit einen gewissen Anreiz, sich in diesem Ort niederzulassen.
Im 17. und 18. Jahrhundert bewirkte sie eher das Gegenteil – sie reizte die Feinde zum Angriff, da man hier besondere Beute vermutete. Daher legten auch die Herrsteiner Einwohner selbst 1674 ihre Ringmauer zum Teil nieder, als der Feind durch das Land zog. Ob sie danach wieder hergerichtet und ob das 1710 vorgesehene zweite Stadttor je errichtet wurde, lässt sich nicht sicher sagen. Jedenfalls entstand bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts das erste Wohnhaus vor der Stadtmauer.
Zuvor hatten sich dort nur die Scheunen und die auf das Wasser des Fischbachs angewiesenen Gerbereien und Mühlen befunden. Die besondere Reststellung als Stadt ging erst nach der Französischen Revolution verloren. Die weitere bauliche Entwicklung verlief äußerst langsam, was nicht verwunderte, da die Gemeinde an der allgemeinen Bevölkerungsexplosion des 19. Jahrhunderts nicht teilnahm. So genügte es auch, im 18. und 19. Jahrhundert einen weiteren Straßenring außen um die Stadtmauer zu legen, wobei ein Teil der Häuser direkt vor der Stadtmauer angebaut werden konnten.
Aus dem Nachteil der geringen Entwicklung in den letzten 200 Jahren ergab sich eine einmalige Chance für den heutigen Ort: Nirgendwo sonst im Nahe-Hunsrück-Gebiet ist eine mittelalterliche Stadt noch so weitgehend erhalten. Mit der Restaurierung des einmaligen historischen Ortskerns wurde 1971 begonnen und hat sich inzwischen zum treibenden Faktor für den Fremdenverkehr entwickelt.