Station: [12] Hemd ohne Naht


Habe ich gut geschlafen. Huch was machen Sie denn hier? Hab ich mich verjagt. Na. na, was gucken Sie denn so? Sie sind mir aber wer, ich habe doch nur ein Hemdchen an. Unerhört, Sie ziehen mich ja fast aus, mit ihren Blicken.

Ich verstehe, so was wie mich sieht man ja auch nicht alle Tage, also gut, habe die Ehre, darf ich mich vorstellen, gestatten: Das Hemd ohne Naht.

Ja sie haben richtig gehört, ohne Naht und doppelten Boden und hundertprozentig aus Steinhuder Leinen gewebt. Ein Meisterstück, einzigartig in seiner Art, zumindest fast, einige wenige Exemplare soll es wohl noch geben, aber das tut jetzt nicht zur Sache. Ich jedenfalls, bin in einem Stück gewebt komplett, ohne jegliche Naht, das sagte ich ja schon. Dafür musste extra ein Webstuhl umgebaut werden, jawohl.  

Über meinen Meister ist nicht viel bekannt, aber seinen Namen weiß ich schon: Johann Henrich Bühmann hieß er, seiner Zeit Handweber aus Steinhude und mit der Familie hier im Haus verwandt. 

Der gute Johann hat mit mir seine Kunstfertigkeit im Handweben unter Beweis gestellt. Das war vor rund 300 Jahren. Damals war er gerade mal 18 Jahre alt. Später hat er sogar seinen Meisterbrief erhalten. 

Ja und wie hat er mich nun gemacht? So genau kann ich mich nicht mehr erinnern, zu lange her. Aber ich weiß noch, beim Kragen hat er begonnen, und sich dann langsam vorgearbeitet, mich auf dem Webstuhl gedreht und  ganz zum Schluss waren meine Ärmel dran. 

Jetzt bin ich aber schon wieder ganz müde, ich brauch ein Nickerchen ...

Foto: © Fischer- und Webermuseum