Station: [21] Zu Hause bei Familie Kulbe
Mann mit dem Goldhelm:
Psst! Alle mal aufgepasst! Ja, ich bin es. Hier hinten, über dem Sofa. Der Mann mit dem Goldhelm.
Jeder kennt mich, jeder liebt mich. Und manche denken vielleicht tatsächlich, ich sei von Rembrandt. Aber egal, darum geht es hier nicht.
Mich hat es hier in das Wohnzimmer der Familie Kulbe in Riesa-Weida verschlagen. Ein ganzes Stadtgebiet wurde in Weida errichtet. Mit Wohnungen vor allem für die im neuen Rohrwerk III in Zeithain benötigten Arbeitskräfte. 3.495 Wohnungen entstanden hier zwischen 1962 und 1968.
Die Kulbes sind ganz stolz auf ihr schönes, neues Zuhause, sie sind extra nach Riesa gezogen, weil es hier so komfortablen Wohnraum gibt, zwar in dicht an dicht aneinander gereihten Neubaublocks, aber dafür sind Schule, Ärzte, Geschäfte, Gaststätten, Dienstleistungseinrichtungen und die öffentlichen Verkehrsmittel nicht weit. „Infrastruktur“ nennt man das heutzutage.
Papa Kulbe arbeitet als Ingenieur im Stahlwerk, die Mutter hat bei der Energieversorgung Arbeit gefunden und Töchterlein Grit geht gleich um die Ecke in den Kindergarten.
Die Kulbes wohnen jetzt schon das zweite Jahr hier in Weida, und wenn es kalt wird, müssen sie keine Kohlen mehr schleppen. Sie drehen einfach die Heizung auf. Und wenn sie in die Badewanne steigen wollen – genauso: Das warme Wasser kommt einfach aus der Wand. Kein Anheizen, kein Kesselschleppen. Die Kulbes sind begeistert!
Da macht es ihnen auch nichts aus, dass sich auf den Fensterbrettern immer ein feiner schwarzer Staub vom nahegelegenen Heizwerk absetzt. Und wenn die Wäsche zum Trocknen draußen hängt und es regnet, dann muss oft noch mal gewaschen werden. Mit dem Regen fallen nämlich die Abgase der Stahlwerksschornsteine mit herab.
Das finde ich zwar nicht so gut, aber auf den Wohnkomfort bin ich schon etwas neidisch. Aus meiner Zeit kenne ich das nämlich noch ganz anders…
Wenn die Familie dann abends froh und munter auf dem Sofa vor dem neuen Fernseher sitzt und die Erwachsenen mit einem Gläschen „Goldene Keule“… hach! Dann beneide ich sie schon um ihre schöne, warme Welt. Und irgendwie passen ich und meine Kollegen von Holbein und Rafael doch ganz gut hier hinein, finden Sie nicht?