Station: [13] Dr. Wahl und die Revolution 1848/49


Boitz:

Meister Wolf? Bist du es? Was gibt´s?

 

Wolf:

Nicht so laut. Dr. Wahl braucht unsere Hilfe. Seifensieder Gruhl kommt auch.

 

Boitz:

Und warum hat uns Dr. Wahl hierher bestellt?

 

Wolf:

Die Revolution ist in Gefahr. Erst heute hat Dr. Wahl im Riesaer Elbeblatt darüber geschrieben und vor den Folgen gewarnt. Hier: „Oder sollte es möglich sein, dass jene Morgenröte der Freiheit und des deutschen Geistes aus den Märztagen 1848 spurlos wieder in der Nacht versinken könnte?“

 

Boitz:

Und was meint er damit?

 

Wolf:

Dass womöglich alles umsonst war. Der Dresdner Maiaufstand soll niedergeschlagen werden. Alles Ringen um die Reichseinigung, eine nationale Verfassung, die Bauernbefreiung, Vertretung des Volkes beim Bundestag – alles geplatzt wie eine Seifenblase!

 

Boitz:

Und da kann man nicht s dagegen tun?

 

Wahl:

Guten Abend, Männer. Danke, dass ihr gekommen seid. Die Situation spitzt sich zu: Der König hat die Preußen um Hilfe gerufen. Nachdem er die Anerkennung der Verfassung abgelehnt und damit den Aufstand ausgelöst hat, befürchtet er nun zu Recht, dass seine Armee allein nichts ausrichten kann.

 

Boitz:

Ich hab gehört, der König und alle seine Minister sollen gar nicht mehr in Dresden sein!

 

Wahl:

Das hab ich auch gehört. Es heißt, sie haben sich auf die Festung Königstein abgesetzt und nicht einmal die Behörden von ihrer Abreise aus Dresden in Kenntnis gesetzt.

 

Boitz:

Denen steht das Wasser bis zum Halse! Das ist doch ein gutes Zeichen!

 

Wolf:

Genau. Wenn sie abgehauen sind, können sie auch keinen Schaden mehr anrichten!

 

Wahl:

So einfach ist es leider nicht. Sie sind und bleiben gefährlich. Denn wenn die zur Verstärkung angeforderten Preußen bis Dresden durchkommen, war alles umsonst.

 

Boitz:

Aber was können wir dagegen tun? Wir können doch nicht rumsitzen und auf das Ende warten!

 

Wolf:

Was können wir schon ausrichten? Drei Männer und ganz ohne Waffen?

 

Boitz:

Wir sind nicht nur drei. Auch der Schankwirt Reiche vom Röderauer „Waldschlösschen“, Seifensieder Gruhl und Advokat Ackermann aus Riesa sind auf unserer Seite.

 

Wahl:

Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass die Preußen nach Dresden gelangen!

 

Boitz:

Aber wie denn? Habt ihr eine Idee, Dr. Wahl?

 

Wolf:

Dr. Wahl hat immer eine Idee, das weißt du doch!

 

Boitz:

Johann, sag, was wir tun können. Ich bin dabei!

 

Wahl:

Die Preußen kommen mit der Eisenbahn. Wir können an den Schienen was machen und den Zug aufhalten.

 

Wolf:

Hoffentlich erwischt uns keine Polizeistreife. Das würde Zuchthaus bedeuten!

 

Boitz:

Wenn du dich nicht traust, dann machen wir es ohne dich!

 

Wolf:

Kommt nicht in Frage. Ich lass euch doch nicht in Stich. Wir haben bisher zusammengehalten und so bleibt es. Lasst uns am besten gleich anfangen im Schutz der Dunkelheit.

 

Wahl:

Nein, nicht jetzt. Erst kurz bevor der Zug hier eintrifft. Morgen früh, am 5. März, gegen 10.30 Uhr wird es soweit sein. Ich hab‘ das aus zuverlässiger Quelle.

 

Wolf:

Wann treffen wir uns?

 

Wahl:

Eine Stunde zuvor. Also 9.30 Uhr kurz vor der Bahnstation Röderau. Dort ist es durch Büsche und Wildwuchs gut vor Blicken geschützt. Wir werden uns das Verbindungsgleis zwischen Röderau und der Dresdner Strecke vornehmen. Wer sagt den anderen Bescheid?

 

Wolf:

Das übernehm‘ ich. Kannst du Werkzeug besorgen, Paul?

 

Boitz:

Ja, klar. Aber was machen wir, wenn die Preußen Verstärkung losschicken, um doch noch nach Dresden zu gelangen?

 

Wahl:

Daran habe ich auch schon gedacht. Wir werden Posten stellen und wenn es tatsächlich dazu kommen sollte, bleibt uns nichts anderes übrig, als die Schienen zwischen Röderau und der Grenze zu Preußen abzubauen. Seht zu, dass ihr noch ein paar Männer gewinnen könnt, wenn es zum äußersten kommt. Aber nehmt euch in Acht und geht jetzt. Einzeln und in unterschiedlicher Richtung. Wir treffen uns morgen früh.