Model für Backwerk: Ein kunstvolles Handwerkszeug - Backformensammlung wandert ins Museum
Museumsleiter Jan Hohmann konnte im Juni eine sehr interessante Spende für das Lindenfelser Museum entgegennehmen. Der Bensheimer Heinrich Reeb spendete seine umfangreiche Back- und Buttermodelle dem Lindenfelser Museum!
Heinrich Reeb bereiste, durch seine Versicherungstätigkeit, schon früh den Odenwald und hier besonders das Gebiet der heute neuen Stadt Oberzent. Bereits 1952 war er motorisiert, was damals keineswegs selbstverständlich war, und kam beruflich herum, auch in entlegene Weiler und Gehöfte.
Eines Tages konnte er beim Besuch einer Mühle einen hölzernen Stempel zum Bedrucken der Mehlsäcke mit dem Eigentumszeichen eben dieser Mühle, einem bekrönten Mühlrad gehalten von zwei Löwen und dem Anfangsbuchstaben des Müller-Namens, buchstäblich vom Hackklotz weg an sich bringen. Dies sollte die Initialzündung sein für eine fruchtbare Sammeltätigkeit in den nächsten Jahren. Er interessierte sich fortan für alte Modelle, meist waren es Back- und Buttermodelle, zu einer Zeit, als deren Eigentümer darin in aller Regel nur noch ‚altes Gelump‘ sahen.
Mehrheitlich wären die schönen alten Formen wohl heute nicht mehr da, hätte er sie nicht damals gesehen und aufbewahrt. Eine erste Ausstellung seiner Sammlung in der Adventszeit 1969 markiert zugleich einen gewissen Abschluss. Die Zeit des beruflichen Reisens durch den Odenwald war seit ein paar Jahren vorbei und was jetzt noch an Modellen dazu kam, ergab sich eher zufällig aus Kontakten mit anderen Sammlern oder aus dem Stöbern in Auktionskatalogen.
Damals betonte in einem Begleitwort zur Ausstellung Hans Gert Eichler, ein Doktorand der Volkskunde, der im Jahr darauf eine Dissertation zu Gebäckmodelen in Westfalen vorlegen sollte: „dass hier ein sachkundiger Sammler viele alte Stücke vor Verfall und Wurmfraß bewahrt hat“. Das ist sein bleibender Verdienst und aus dem Gedanken des Bewahrens heraus ist er auch im Jahr 2018, seinem siebenundachtzigsten Lebensjahr, den Schritt gegangen, die Sammlung als Ganzes dem Lindenfelser Museum zu schenken.
Jan Hohmann bestätigte, dass das Museum einen kleinen Teil der Modeln in die Dauerausstellung integrieren wird. Des Weiteren soll eine eigene Sonderausstellung geplant werden, diese könnte aber frühestens zum Beginn der Saison 2019 umgesetzt werden.
Ergänzende Informationen für die Presse:
Auszug aus dem Buch „Unser Odenwald. Ein Kulturbild des Odenwaldes aus alter und neuer Zeit., von San.Rat Dr. F. Maurer, Darmstadt 1914:
„Demnach gab es gemäß einer Umfrage aus dem 1909 damals und auch 25 bzw.50 Jahre vorher jeweils etwa 3 bis vier Formenstecher im Odenwald, alle im Kreis Erbach. Einen davon aus Reichelsheim hat der Autor damals fotografiert und im Buch abgebildet. Maurer geht auf S. 56 unten von einer „Herstellung von etwa 4400 Formen verschiedener Größe aus Ahorn- und Birnbaumholz“ jährlich aus. Das bedeutet, wenn man regelmäßige Samstagsarbeit unterstellt 3-5 Formen am Tag je nach dem.“
Auszug aus einer Ausstellungsbroschüre von 1969:
Model für Backwerk: - Ein kunstvolles Handwerkszeug
In steigendem Maße wächst das Interesse der Gegenwart an Geräten und Gegenständen vergangener Zeiten. So ist es nur zu verständlich, dass die hier ausgesteiften Model eine Sonderstellung einnehmen, sind sie doch in besonderer Weise durch ihre mehr oder weniger kunstvolle Gestaltung geeignet, Rückschlüsse auf vergangene Epochen zuzulassen.
Sicher wird in diesem Zusammenhang auch gelegentlich die Frage nach dem Alter der Modelle gestellt. Dieses Alter reicht in der Tat bis in die Kindheit der menschlichen Geschichte, denn die ältesten, heute bekannten Model stammen aus der Zeit um 2 500 v. Chr. und sind im Mohanjodaro im Industal gefunden worden. Es sind dies Tonformen, die in den besten einer frühgeschichtlichen Bäckerei gelegen haben und mit deren Hilfe besonders geformte Brote in beliebiger Zahl gefertigt werden konnten.
Was hat die Menschen bewogen, schon damals Brot in besonderer Form zu fertigen? Eine genaue Erklärung musste uns die Forschung infolge fehlende- Quellen bisher schuldig bleiben. Es wird angenommen, dass es sich bei den ersten Gebildbroten um Opferkuchen handelte, die die Ablösung alter Opfer durch gebackenen Ersatz ermöglichten, wie dieses durch die Substitution von lebenden Schweinen durch Teigbilder im Opferkult für Demeter aus späterer Zeit historisch belegt ist. Berücksichtigt man dabei die Tatsache, dass Ramses der 11. im 12. Jahrhundert v. Chr. während seiner 31jährigen Regierungszeit seine Kultstätten mit 6 ½ Millionen Broten und 300 000 Kuchen beliefern lieb, so ist es verständlich, dass des Bedarf an Formen für die Kuchen rapide anstieg und der Verbreitung der Model nichts im Wege stand. So sind uns aus dem gesamten Mittelmeerraum Model bekannt, trotzdem lernten sie die Römer jedoch verhältnismäßig spät kennen. Sie brachten die Model dann aber nach Norden über die Alpen und über den Umweg Byzanz in das gesamte Verbreitungsgebiet der Ostkirche, wo sie auch heute noch eine erhebliche Rolle spielen.
Im frühen Mittelelter war das Modelgebäck den Klosterküchen und Bäckereien vorbehalten. Erst mit dem Aufblühen des Bürgertums löst die Verwendung von Backmodeln die althergebrachte Form von handgeformten Gebildbroten ab.
So sind an Adelshöfen wie auch in wohlhabenden Bürgerhäusern fortan festliche Tafeln ohne die zu vorige Verwendung von Modeln nicht mehr denkbar. Eine Vielfalt von Zeugnissen berichtet über Schauessen an Fürstenhöfen, bei denen die Speisen in kunstvollster Weise hergerichtet wurden, besonders durch den neu eingeführten Rohstoff Zucker wurde die Anfertigung dieser essbaren Kunstwerke in hervorragender Weise begünstigt. Aus Frankfurt a. M, ist uns die älteste schriftliche Kunde über den Besitz solcher Model erhalten. Dort hat zwischen 1510 und 1530 Hartmann Kistener eine Vielzahl von Kuchelsteinen gefertigt.
Es gilt als erwiesen, dass der Mittelpunkt der Formenstecherei und auch der Verwendung von Modeln im Rheingebiet zu finden ist, wo mit der Renaissance eine Bewegung beginnt, die bereits im Biedermeier Aligemeingut geworden ist. Zwar wird gelegentlich der Niedergang der großen Formenstecherei als einer hohen Kunst beklagt, doch ist es für uns erfreulich, auch primitiv anmutende. Formen teils mit ungelenker Hand gefertigt, heute vor uns zu sehen, entspringen doch alle diese Formen letzthin einem uralten gleichen Bedürfnis.
Wird bei dieser Ausstellung ein Teil der Sammlung Reeb der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, so ist das aus mehreren Gründen begrüßenswert: Einmal ist es die Tatsache schlechthin, dass hier ein sachkundiger Sammler viele alte Stücke vor Verfall und Wurmfraß bewahrt hat, zum anderen hat nun ein breites Publikum eine lvlogIichke0; der Information über ein Handwerkszeug, das die Kunst der süßen Sachen erst ermöglichte; und letztlich wäre es nur wünschenswert, wenn in unserer schnelllebigen Zeit ein Verweilen vor den liebe- und kunstvoll geschnitzten Formen eine Spur von Nachdenklichkeit hinterlassen würde, (cand. phil, Hans G.ert Eichler Münster/Westfalen)
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