Vortrag " Kalender für den gemeinen Mann" am 16.04.2015 um 19 Uhr Balkensaal der Osterburg in Weida
Im Rahmen der Ausstellung "Der Osterburg Zeit geben" ist ein umfangreiches Vortragsprogramm geplant. Als nächstes gibt es ein interessantes Referat über die historischen Kalender, die z.T. in der Ausstellung zu sehen sind.
Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts erschienen am Ende eines Jahres die für das Folgejahr gültigen Kalender auch in Heftform der Größe ca. 16 cm x 20 cm. Jeder Kalender war zweigeteilt in ein Kalendarium und in ein astrologisches Prognostikum. Das Kalendarium beinhaltete die linksseitigen Monatstafeln mit den astrologischen Erwählungen (dargestellt mit Symbolen) und die kurzgefaßte Wetterprognostik. Die rechten, gegenüberliegenden Schreibseiten waren zunächst nicht bedruckt und konnten vom Kalenderkäufer mit persönlichen Notizen beschrieben werden – deshalb „Schreibkalender“. Die Erwählungen – das sind die vom Aberglauben geprägten astrologischen Deutungen der astronomischen Planetenaspekte – lieferten Aussagen über günstige Termine für das Schlagen von Bauholz, für das Schneiden der Haare, für das Aderlassen usw. Aus den Planetenaspekten und den Mondphasen wurde langfristig das Wetter prognostiziert. Der zweite Teil brachte für das Gültigkeitsjahr des Kalenders im Voraus die ausführlichen astrologischen Mutmaßungen in den Kapiteln „Von den Jahreszeiten“, „Von den Monaten“, „Von den Finsternissen“, „Von Krieg und Frieden“, „Von Gesund- und Krankheiten“, „Von Frucht- und Unfruchtbarkeit“ des Ackerbodens. Hier streute der Kalendermacher nach und nach andere Texte ein. Häufig waren das die eine astrologische Deutung „beweisende“ Historia oder unterhaltende und auch moralisch-belehrende Historien. Von der Geschichtsforschung bis heute noch unbeachtet geblieben sind jene Kalendertexte, die als wissenschaftliche Äußerungen des Kalendermachers gelten können.
In dem Vortrag wird der Schreibkalender als dasjenige Druckmedium, das in der Frühen Neuzeit praktisch in jedem Haushalt vorhanden war, vorgestellt. Dabei wird besonders Bezug genommen auf die im vogtländischen Langenwetzendorf entdeckten rund einhundert Exemplare aus der Zeit von 1662 bis 1755 sowie auf die im 18. Jahrhundert in Weida verkauften Kalenderreihen. Schließlich wird das Bestreben einiger Kalendermacher in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts vorgestellt, den astrologischen Aberglauben aus den Kalendern herauszudrängen. Hierzu werden vor allem Kalender gezeigt, die in der weltweit größten Kalendersammlung im Stadtarchiv Altenburg (rund 3700 Jahrgangsexemplare zwischen 1644 und 1861) überliefert sind. Hier finden sich viele als nicht überliefert geglaubte, wie der „Europäisch(e) Wundergeschichten Calender“ für 1670 von Grimmelshausen, sowie zahlreiche bisher unbekannte Kalenderreihen, wie die von Georg Albrecht Hamberger. Dieser Mathematikprofessor aus Jena war bislang nicht als Kalendermacher bekannt; ein „Verbesserter und von allem Aberglauben gereinigter Calender“ weist ihn jedoch als Verfasser aus.
Der Referent, Herr Dr. Klaus-Dieter Herbst, forscht seit 2002 zu den Kalendermachern und zum Kalenderwesen im 16., 17. und 18. Jahrhundert und erarbeitet zur Zeit am Institut Deutsche Presseforschung (Universität Bremen ) ein Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750. Gleichzeitig ist er Herausgeber sorgsam edierter Nachauflagen von historischen Kalendern.