Vorbericht: Rose Valland - Tagung Monuments Woman Résistance und Restitution + Doppelausstellung
Eine der wichtigsten Ausstellungen des Jahres ist die doppelte Hommage an die Widerstandskämpferin Rose Valland in Frankreich und Deutschland: ‚Rose Valland – Auf der Suche nach enteigneter Kunst‘ ist die erste Ausstellung über das Wirken von Rose Valland in Deutschland überhaupt. Rose Valland war durch ihre Unscheinbarkeit die perfekte Spionin. Die Ausstellungseröffnung erfolgt im Anschluss an die international besetzte Tagung Rose Valland - Monuments Woman Résistance und Restitution im Jagdschloss Schorfheide, die sich unter kunsthistorischen Aspekten mit dem Wirken von Rose Valland beschäftigt. (Vorbericht und Ausstellungshinweis von Jana Noritsch)
Während der Besetzung von Paris ab November 1940 erlebte Rose Valland (01.11.1898 - 18.09.1980) als Mitarbeiterin im Musée du Jeu de Paume den von den Nationalsozialisten organisierten Kunstraub durch den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR). Die von den Nazis gestohlenen Gemälde und Kunstwerke wurden dort vor dem Abtransport nach Deutschland zwischengelagert. Sie stammten überwiegend von französischen – oft jüdischen – privaten Sammlern und Händlern. Auch „Reichsmarschall“ Hermann Göring kam mehr als zwanzig Mal ins Musée du Jeu de Paume, um Kunstwerke für seine Kunstsammlung in Carinhall, seiner Residenz in der Schorfheide, auszusuchen.
Rose Valland wurde Zeugin dieser „Einkaufstouren“. Es gelang ihr, während der vierjährigen Besatzungszeit unter äußerst gefährlichen Bedingungen insgeheim detaillierte Listen der Kunstwerke mit ihren Bestimmungsorten in Deutschland zu erstellen:
Die Kunsthistorikerin hatte bereits vorher für französische Museen gearbeitet und war mit den öffentlichen und privaten Sammlungen in Paris und Umgebung vertraut. Als sich Rosenbergs Agenten die berühmten Kunstsammlungen der jüdischen Familien Rosenberg, Schloss, David-Weill oder Rothschild aneigneten, wurden die Kunstwerke im Zwischenlager bei Rose Valland eingeliefert, die die Werke wiedererkannte. Sie sollte diese Kunstwerke inventarisieren, ggf. Schäden notieren und entsprechende Listen anfertigen. Dabei wurde sorgfältig gearbeitet: Auf den Inventurkarten wurden neben den Angaben zum Werk in der Regel auch der Name des Eigentümers eingetragen, galt es doch auch als Qualitätsmerkmal, wenn die Kunstwerke etwa aus der Sammlung des renommierten Kunsthändlers Paul Rosenberg stammten.
Niemand in ihrem Umfeld ahnte, dass die Französin fließend Deutsch sprach - und alle Geschehnisse um sie herum verstand. Sie verhielt sich so unauffällig wie möglich. Nachts fertigte sie heimlich Kopien der Inventarlisten an und gab sie an die französische Widerstandsbewegung weiter. Ihr Wissen half später dem Monument Man James Rorimer, vor allem weil sie die Bestimmungsorte der Werke kannte. Nach dem Krieg kam Rose Valland als Repräsentantin der französischen Museen und Offizierin der französischen Armee nach Deutschland und forderte die französischen Werke zurück. Auch befindet sich ihr Name bei den allermeisten der Anträge auf Restitution seitens französischer Privatsammler, da sie auch in Frankreich als Repräsentantin der Commission de Récupération Artistique agierte. Sie wollte zusammen mit den Alliierten die gestohlenen Kunstwerke finden und für deren Rückgabe sorgen.
Hierzu war sie auch mehrfach in der sowjetischen Besatzungszone auf dem Gelände des Landsitzes Carinhall, der 1945 auf Veranlassung von Göring gesprengt worden war. Es wird geschätzt, dass dank ihrer Arbeit und ihres Engagements rund 60.000 Werke nach Frankreich zurückgeführt werden konnten.
Durch ihre Tätigkeit verkörpert sie eine wichtige Rolle im Diskurs um die Rettung und Restitution von geplündertem Kulturgut. Im Rahmen der Tagung anlässlich des 40. Todestages von Rose Valland wird ihr Beitrag zur Rettung europäischer Kunstschätze beleuchtet und in den Zusammenhang mit der Tätigkeit des ERR gestellt. Im regionalen Kontext mit der Schorfheide werden neuere Forschungen zur persönlichen Haltung Rose Vallands gegenüber Göring thematisiert. Das führt weiter zu Fragen nach dem aktuellen Forschungsstand in der Provenienzforschung und der Restitutionspraxis von NS-Raubkunst im deutsch-französischen Kontext.
Auch aus anderen aktuellen Fragen heraus eine der wichtigsten Ausstellungen des Jahres: Und wie kann besonders jungen Menschen unser heutiges Demokratieverständnis in einer interessanten Form nahegebracht werden? Welche Ereignisse der deutsch-französischen Geschichte können in eindringlicher und dennoch spannender Weise erzählt werden, um das Unrecht und die Folgen des Nazi-Regimes erfahrbar zu machen? Wie kann die Geschichte der mutigen, aber in Deutschland fast unbekannten Rose Valland erzählt werden?
An das Anliegen, das gewaltige Ausmaß des Raubs an den verfolgten Juden sichtbar zumachen, erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an das von Maria Eichhorn während der documenta 14 gegründete "Rose Valland Institut". In ihrer Büro-Installation in der Kassler Neuen Galerie rief die Künstlerin dazu auf, Kunstwerke, Antiquitäten, Schmuck und Hausrat, bei dem es sich um Raubkunst handeln könnte, dem Institut zu melden. "Beschlagnahmtes oder geraubtes Gut wurde öffentlich versteigert - allein in Hamburg 45 Schiffsladungen mit Gütern, die man niederländischen Juden geraubt hatte", schrieb die Künstlerin in ihrem "Open Call", mehr als 100 000 Einwohner der Hansestadt waren Bieter auf den Hafenauktionen. Mit dem "Rose Valland Institut" forderte Maria Eichhorn die nachfolgende Generation auf, sich diesem Unrecht zu stellen. Indem man das unrechtmäßig Erworbene - egal wie banal und billig es auch sein mag - aufspürt. Das Rose Valland Institut ist seit Oktober 2018 ein interdisziplinär ausgerichtetes und unabhängiges Projekt am Käte Hamburger Kolleg "Recht als Kultur" der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Unter anderem wurde über das Zentrum für Kulturgutverluste bis vor Kurzem das Klavier des Siegfried Alkan versucht, zu restituieren ...
Am 18. September gibt es eine Doppeleröffnung der Ausstellung zum Wirken der Kunstretterin: ‚Rose Valland – Auf der Suche nach enteigneter Kunst‘, zum einen im Jagdschloss Schorfheide in Groß Schönebeck, zum anderen eine französischsprachige Version der Ausstellung im Geburtsort von Rose Valland in der Médiathèque Saint-Etienne-de-Saint-Geoirs. Konzipiert wurde sie als Wanderausstellung vom Musée Dauphinois in Grenoble im Departement Isère. Im Jagdschloss Schorfheide wird die Ausstellung bis zum 18. Oktober 2020 zu sehen sein. Danach wird sie in der Französischen Botschaft in Berlin präsentiert und anschließend kostenfrei Gedenkstätten und Schulen zur Verfügung gestellt.
Eröffnen werden die Tagung Rose Valland - Monuments Woman Résistance und Restitution" Kerstin Kämpfe vom Jagdschloss Schorfheide sowie Wilhelm Westerkamp, der Bürgermeister Gemeinde Schorfheide, moderiert wird die Veranstaltung von Dr. Dorothea Schöne, Kunsthaus Dahlem. Dr. Hanns Christian Löhr, Historiker und Buchautor, spricht zu "Das Jeu de Paume als zentraler Ort des deutschen Kunstraubes". Nathalie Neumann, Provenienzforscherin der Universität Mainz, spricht über "Bilderverbrennung im Jeu de Paume? Die früheren Leiter des ERR Borchers und Scholz diskutieren „le front de l’art“ 1961". Dr. Gilbert Titeux, Equipe de recherche Arts, civilisation et histoire de l'Europe (ARCHE) de l'Université de Strasbourg, referiert zu "Die Person Hermann Göring in den Augen Rose Vallands und ihre Aktivitäten in den gesprengten Ruinen von Carinhall". Dann folgt Ophélie Jouan, Kunsthistorikerin und Buchautorin, über "Rose Valland, the 'Officiers Beaux-Arts' and the French artistic recovery in Germany and Austria (1944-1953)". Julien Acquatella, CIVS, Berlin, beschäftigt sich mit der "Neustrukturierung der französischen Restitutionspolitik in Bezug auf NS-Raubkunst".
Aufgezeichnet wird die Tagung nicht, jedoch bin ich vor Ort und bei Fragen können Sie mich gerne kontaktieren.
Text: Jana Noritsch Bild: Rose Valland Portrait © Association La mémoire de Rose Valland (mit freundlicher Genehmigung der Presseabteilung Jagdschloss Schorfheide)