Station: [16] Modul|a|t|o|r


"Nehmen Sie den Mann mit dem erhobenen Arm, 2,20 m hoch, stellen Sie ihn in zwei übereinander angeordneten Quadrate von 1,10 m; lassen Sie auf den beiden Quadraten ein drittes Quadrat reiten, das Ihnen eine Lösung bringen muss. Der Ort des rechten Winkels wird Ihnen helfen, die Lage dieses dritten Quadrates zu finden." 

"Ich bin überzeugt, dass Sie mit diesem Werkstattgitter, das durch den in seinem Innern aufgestellten Menschen reguliert ist, zu einer Reihe von Maßen gelangen werden, die die menschliche Gestalt (mit erhobenem Arm) und die Mathematik in Einklang bringen ..." 

Le Corbusier

Der Modulor ist ein von Le Corbusier entwickeltes Maßwerkzeug, das von der menschlichen Gestalt und der Mathematik ausgeht. Ein Mensch mit erhobenem Arm liefert in den Hauptpunkten der Raumverdrängung – Fuß, Solarplexus, Kopf, Fingerspitze des erhobenen Arms – drei Intervalle, die eine Reihe von goldenen Schnitten ergeben, die man nach Fibonacci benennt. Die Mathematik andererseits bietet sowohl die einfachste wie die stärkste Variationsmöglichkeit eines Wertes: die Einheit, das Doppel, die beiden goldenen Schnitte.

Dieses Formsystem sollte, ausgehend vom menschlichen Maß, wie schon bei Vitruvius oder Leonardo da Vinci, Formel und Generator für tänzerische Module sein, die in Interaktion mit einem Kameratrackingsystem sowie einem Mikrophon und einer Kamera zu einem intermedialen Projekt über den menschlichen Körper führte.

Frei von Textvorgaben oder einem dramatischen Stoff bot dieses „System“ eine freie Grundlage, um mit geräuschhaftem Klangmaterial des Körpers (Stimme, Atmung, Bodengeräusche) ebenso zu arbeiten, wie mit Bildausschnitten des sich live bewegenden Körpers in Form von Videosampling. So entstand eine Folge von Einzelmodulen mit ein bis vier Tänzern und zwei Schauspielern, die sowohl Geräusch- und Bildgeber, als auch Modulatoren ihres Materials durch in Steuerdaten ausgewertete Bewegung waren.

Das ganze Stück war eine umfangreiche szenische Collage, welche die Theorien von Le Corbusier hinterfragt, kommentiert, in bewegte Bilder übersetzt konterkariert. Gleichzeitig gingen insbesondere die interaktiven, tänzerischen Szenen erstmalig von der selbst gesetzten Grundlage aus:

Solange der Bühnenraum von keinem Menschen betreten wird, ist er tot (kein Bild, kein Klang). Betritt ein Mensch diesen sensorisierten szenischen Raum, entstehen durch seine Anwesenheit ein visuelles Videobühnenbild (Szenografie) und Klang in Form von durch Bewegung steuerbarer elektronischer Musik, welche erst durch die Geräuschverursachung des sich in der Bühne bewegenden Menschen Klangmaterial zur flüchtigen Speicherung geliefert bekommt.

Modul|a|t|o|r hatte ein inhaltliches Thema, welches der interaktiven, intermedialen Entwicklung einen Rahmen der Ermöglichung bot. Gleichzeitig waren die interaktiven-intermedialen Experimente nur zu einem geringen Grad formbestimmend für dieses Stück. Die visuell klar gestalteten „Möbelreigen“ und insbesondere die in Sketchen gespielten Texte reflektierten das Thema wesentlich klarer als die interaktiv-intermediale Aktion.

Sprecher: Clemente Fernandez

Editing: Fabian Bentrup

Mischung: J.U.Lensing