Station: [005] Auguste Rodin (1840 – 1917), Bürger von Calais, 1895-99


1884 erhielt Auguste Rodin den Auftrag für eine monumentale Bronzegruppe, mit der man dem heldenhaften Opfermut der „Bürger von Calais“ ein Denkmal setzen wollte. Zehn Jahre lang dauerte die Arbeit an diesem Figurenensemble, das zu einem seiner Hauptwerke wurde. Die Darstellung orientiert sich an einer historischen Begebenheit. Während es Hundertjährigen Krieges belagerte das Heer des englischen Königs Edward III. im Jahr 1346 die nordfranzösische Stadt Calais. Die Lage der Stadt war aussichtslos, eine bedingungslose Kapitulation drohte und damit Plünderung und Zerstörung. In dieser Situation stellten sich sechs angesehene Bürger der Stadt freiwillig als Geiseln zur Verfügung. Barfuß und nur mit einem Hemd und einem Halsstrick bekleidet sollen sie am 4. August 1347 vor den englischen König getreten sein. Dieser beabsichtigte zunächst, sie als Vergeltung für die Verluste seiner Truppen hinrichten zu lassen, sah jedoch schließlich davon ab und verschonte sie. Rodins zentrales Darstellungsthema ist die innere Anspannung angesichts der bevorstehenden Hinrichtung. Er verleiht jedem der Männer einen individuellen Ausdruck unterschiedlichster Gefühle: Von Mut und Entschlossenheit bis hin zu Resignation, Furcht und tiefer Verzweiflung. Nachdem die monumentale Bronzegruppe vollendet war, schuf Rodin von jeder der sechs Figuren mehrere kleinformatige Fassungen. Zu ihnen zählen auch die zwei Statuetten des Saarlandmuseums. Die Figur des „Passant“ repräsentiert in der Denkmalsgruppe den Jüngling an der vorderen linken Ecke. Mit einem schmerzlichen Ausdruck von Hoffnungslosigkeit wendet er sich zur Gruppe und verabschiedet sich mit erhobener Hand. Mit der neuen Formensprache der „Bürger von Calais“ stellt Rodin die traditionelle Funktion der Skulptur als Abbild in Frage. Wie in der impressionistischen Malerei werden die Spuren des individuellen Aktes der Gestaltung zu prägenden Bestandteilen des Werks. In der zerklüfteten, flackernd modellierten Oberfläche ist die innere Zerrissenheit der Todgeweihten spürbar.