Station: [53] Das Reibholz


Haben Sie gehört, wie ich klinge?

Mein Gesang besteht aus drei Tönen, die die Europäer g, c und e nennen. Doch mache ich überhaupt Musik? Ursprünglich wurde ich bei der Totenwache für einen Verstorbenen verwendet. Mein Name auf Neuirland lautet: Kulepaganeg. Das könnte man übersetzen mit „dorthin beklagen“ oder „bejammern“. Ein anderer Name von mir, Lunuwat, könnte von „wehklagen“ und „Westen“ kommen, denn während der Totenwache wurde geklagt und im Westen, wo die Sonne untergeht, wird die Totenwelt vermutet. Und mein Sammler nannte mich Gulépa.

Meine Töne werden erzeugt, indem man mit der Hand über meine Lamellen streicht. Wurde sie zuvor mit einem Harz eingerieben oder ist sie hinreichend feucht, bringt sie die Lamellen zum Schwingen. Deshalb nennen die europäischen Musikwissenschaftler mich: „Reibidiophon“. Manche übersetzen dies mit Reibholz, andere mit Streichtrommel.

Zwar gibt es mehrere Exemplare von mir, aber mein Typ ist einzigartig. Es sind keine verwandten Instrumente weltweit bekannt. Früher war meine Existenz sogar geheim. Frauen und uneingeweihte Männer durften mich nicht sehen, nur hören. Geheim war auch der Platz, an dem ich hergestellt und der Platz, an dem ich gespielt wurde.

Manche sagen, meine Töne wurden verstanden als die Stimme des gerade Verstorbenen, der beklagte, die Welt der Lebenden verlassen zu haben. Oft meinte man aber auch nur, Geisterstimmen zu hören.