Station: [205] Der Mahlgang


F: Haben Sie waghalsig die steile Hühnerleiter erklommen? Die Mühe hat sich gelohnt, denn nun sind Sie auf dem Mahlboden angekommen, wo das Herz der Mühle schlägt: Hier befindet sich der Mahlgang mit seinen zwei mächtigen, aufeinanderliegenden Steinen, gut geschützt von einer kreisrunden Holzverkleidung.

M: Der Mahlgang besteht aus dem unbeweglichen Bodenstein (oder Liegerstein) und dem darüberliegenden Läuferstein, der durch seine Drehbewegung das Getreide zermahlt. Das Prinzip ist ganz einfach: Wenn die Getreidesäcke bis nach hier oben gelangt sind, werden sie in den Trichter entleert, der das Korn direkt auf das Auge, also das „Schluckloch“ in der Mitte des oberen Steins – des Läufers – leitet. Durch die Zentrifugalkraft wandert das gemahlene Korn nach außen. Es läuft einmal quer zwischen den Steinen hindurch, quillt an der Seite heraus, fällt durch einen kastenförmigen Trichter und landet ein Stockwerk tiefer, in der Mehlpfeife in den Säcken. Fertig ist das Mehl bzw. das Schrot.

F: So weit, so gut. Doch obwohl er mehr als anderthalb Tonnen wiegt und eigentlich unverwüstlich ist, mahlt so ein Mahlstein nicht ewig in derselben Qualität. Steinschärfen ist angesagt, wenn das Mehl zu warm wird. Die besondere Form der Mühlsteinschärfen ergibt sich aus dem Mahlgut (also der Getreideart), der Kapazität und dem gewünschten Mahlgrad (also grob und fein gemahlen). Jede Mühle hat ihre eigene Schärfe.

M: Fürs Schärfen muss das Gehäuse (die hölzerne Bütte) auseinandergebaut und der Läuferstein angehoben werden. Dafür gibt es den Steinkran mit seiner großen, bogenförmigen Greifzange. Die Enden der Zange greifen in zwei seitliche Löcher und heben den Stein an. Mit dem Galgen kann der Stein nun verschoben, um 180 Grad gedreht und auf der freien Fläche abgelegt – quasi auf den Rücken gelegt werden.

F: Dann sieht man: Die Mahlsteine liegen nicht plan aufeinander, sondern verfügen über eingearbeitete Furchen oder Bögen, die sich abnutzen und nun mit speziellen Hämmern nachgezogen werden. Zwei Handwerker brauchen etwa einen Tag, bis die Furchen wieder schön tief und ausgeprägt sind. Ist das Schärfen beendet, kann der Läuferstein wieder angehoben, gedreht, über den Liegerstein gewuchtet und niedergelegt werden.

M: Das Schärfen ist anstrengende Millimeterarbeit. Aber unbedingt notwendig! Zuerst werden mit einem Kraushammer die hochstehenden Mahlbalken plan geschlagen. Anschließend werden die Mehlfurchen mit einer Bicke oder Billhammer ausgeschlagen. Denn die Furchen dienen der Luftzufuhr und transportieren das Mehl (oder das Schrot) nach außen. Sie verhindern, dass die Mahlsteine beim Drehen heiß werden, das Getreide verderben oder sogar die ganze Mühle in Brand setzen.

Fotos: © Tanja Heinemann