Station: [2] Die Schlafstube
M: „In deine Hände empfehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, oh Herr, Gott der Wahrheit.“
F: In diesem Sinne: Gute Nacht.
M: Natürlich durfte das Gebetsbuch in früheren Zeiten auf keinem gut christlichen Nachttisch fehlen.
F: Daneben steht ein Wecker der besonderen Art. Er muss während des Ersten Weltkriegs hergestellt worden sein, zwischen 1914 und 1918.
M: Woran man das erkennt?
F: … an den Porträts der abgebildeten Herren: Links der deutsche Kaiser, in grauer Uniform und mit markantem Zwirbel-Bart. Rechts der Kaiser von Österreich, Franz Joseph I. Während des Ersten Weltkriegs war die Darstellung der beiden ein beliebtes Motiv. Die Uhrzeit ist ebenfalls bemerkenswert:
M: Wenn man so will, ging vor knapp zehn Minuten der Erste Weltkrieg zu Ende.
F: Werfen wir nun aber einen Blick auf das Bett. Sie haben es sicher schon bemerkt: Es ist … nicht besonders lang.
M: Das musste es auch gar nicht sein, denn früher pflegten die Menschen in einer halb aufrechten Sitzposition zu schlafen. Sich hinzulegen hätte nämlich bedeutet, die Position eines Toten einzunehmen. Umgekehrt glaubte man: Wer im Sitzen schläft, entgeht dem Tod. Das war zwar weder gesund noch bequem, aber Angst und Aberglaube treiben den Menschen ja bekanntlich zu den seltsamsten Dingen.
F: Und was verrät der Blick in den Holzschrank? Ein Sprichwort besagt:
M: Die Aussteuer ist die einzige Steuer, die nicht hoch genug sein kann.
F: Dementsprechend wurde hier natürlich auch fleißig getrickst. Bettlaken, Tischtücher und andere Stoffe, die zur Aussteuer gehörten, faltete man möglichst voluminös – und legte sie ganz vorne ins Regal. Der hintere Teil des Regals blieb leer. Daher stammt wohl auch der Ausspruch: Vorne hui, hinten pfui.
M: Das schwarze Kleid, das hier sehen, gehörte einst Maria Drometer aus Unterbettringen. Es könnte ihr Hochzeitkleid gewesen sein. So ganz genau weiß man das aber nicht. Schwarze Brautkleider waren früher aber gang und gäbe, denn schwarz sollte die Frömmigkeit der Braut unterstreichen. In vielen ländlichen Gegenden wurde diese Tradition noch bis ins 20. Jahrhundert gepflegt. Es kann also gut sein, dass Maria Drometer bei ihrer Heirat 1879 dieses Kleid getragen hat. Der Auserwählte war ein gewisser Gottlob Mundinger. Eine echte Liebesheirat muss das gewesen sein: die Braut katholisch, der Bräutigam evangelisch. Unerhört für die damalige Zeit!
Fotos: © Jürgen Bahnmayer