Station: [20] Kirchturm und Portal
Ein „Fingerzeig Gottes“?
Mit seinen 75 Metern hat die Kloster- und Pfarrkirche Schuttern den höchsten Kirchturm der Ortenau und nach dem Freiburger Münster auch den zweithöchsten Turm der Erzdiözese Freiburg.
Schon an diesem imposanten Kirchturm lassen sich die Größe und Schönheit des einstigen Klosters Schuttern erahnen. Sein Figurenschmuck erzählt die Gründungsgeschichte des Klosters – und die ist alles andere als einfach!
Betrachten Sie zunächst die drei Figuren, die das Portal schmücken.
Es wird bekrönt von der Muttergottes mit dem Kind. Hinter ihr: ein Wappen mit einem Einhorn – einem Mariensymbol und gleichzeitig dem Wappentier des Abtes Placidus Hinderer der 1722 den Turm errichten ließ.
Die Kirche ist seit jeher der Maria geweiht und dementsprechend ist Mariä Himmelfahrt am 15. August das höchste Kirchenfest in Schuttern.
Links unter der Maria die vielleicht wichtigste, aber auch geheimnisvollste Figur: der legendäre Klostergründer Offo, ein angelsächsischer König, der sich im frühen 7. Jahrhundert auf Missionsreise begeben haben soll. Die Klosterchronik berichtet, dass er im Jahr 603 das Kloster Schuttern gegründet habe, das nach ihm „Offoniswilare“ – Weiler des Offo – hieß.
Ein Offo, der den Ort Offenweiler gründete – das klingt schlüssig. Dass dieser Offo ein iroschottischer Mönch war und aus Britannien kam, ist möglich. Die Klostertradition machte aus diesem Gründer einen König und feierte jährlich mit Gottesdiensten und Armenspeisung sein Gedenkfest. Heute erinnern an ihn in Schuttern das Ortswappen, die Offohalle, die Offostraße, im Gasthaus Adler wird die Offo-Wurst serviert und in Offenburg ein Offo-Sekt gekeltert. Und jedes Jahr am 14. Januar feiert das Dorf den Offo-Tag.
Offo hin oder her: Es ist wahrscheinlich, dass ab dem 7. Jahrhundert hier eine Einsiedelei oder ein Konvent frommer Männer bestand. Die erste gesicherte Erwähnung des Klosters stammt aus der Zeit um 730, als der heilige Pirmin durch die Ortenau kam und in Schuttern die Benediktinerregel einführte. Dementsprechend bekrönen die Mönche Pirmin und Benedikt den Turm ganz oben.
Eine Liste von 817 nennt Offoniswilare unter den leistungsstärksten Konventen des Fränkischen Reiches. Fast genau zweihundert Jahre später bezeichnete dann Kaiser Heinrich der Zweite das Kloster als verarmt und schenkte es kurzerhand seinem neugegründeten Lieblingsbistum Bamberg. Vergeblich wehrten sich die Mönche gegen diese Umwandlung des altehrwürdigen Reichsklosters Schuttern in ein Eigenkloster des Bamberger Bischofs. Zur Besänftigung schenkte Heinrich im Jahr 1016 dem Kloster den Ort Heiligenzell und sieben Bauernstellen; eine Fälschung der Schenkungsurkunde fügte dann noch etliche Güter hinzu. Und so verwandelte die Tradition den Kaiser in einen großzügigen Spender, der das Kloster vor dem Ruin bewahrt habe. Als zweiten Gründer und als Parallelfigur zum ersten königlichen Gründer Offo stellt ihn die Statue auf der rechten Seite des Portals dar.
Ungefähr zu dieser Zeit benannte sich das Kloster nicht mehr nach seinem legendären Gründer Offo, sondern nach dem vorbeifließenden Fluss: „Scutera“ oder „Scutura“ – „Schuttern“.
Alle Abbildungen: © Historischer Verein Schuttern 603 e.V. / Gemeinde Friesenheim