Station: [14] V-Bau


Die Geschichte dieses denkmalgeschützten Gebäudes, das ab 1913 errichtet wurde, könnte nicht gegensätzlicher sein: Seit der Erbauung befand sich hier der zentrale Ort der Waffenproduktion, bis schließlich, nach dem Zweiten Weltkrieg, die sowjetische Werksleitung entschied, Teile des Fabrikgebäudes in ein Kulturhaus mit Gaststätte umzuwidmen. 

Der mächtige Stahlbetonbau verdankt seinen Namen - V-Bau - dem ursprünglich V-förmigen Grundriss mit zwei Gebäudeschenkeln. 

Hier, im V-Bau, saß die Zünderfabrik und hier produzierte die Rheinmetall Kleinkaliberwaffen wie Pistolen und Maschinengewehre. 

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs stürzte das Rüstungsunternehmen Rheinmetall zunächst kurzzeitig ins Chaos: Das Problem: ein großer Teil der hier produzierten Zünder gingen damals ins Ausland, und zwar zu den neu erklärten Kriegsgegnern des Deutschen Reichs. 

Das Kriegsministerium reagierte prompt und befahl den sofortigen Stopp der Zünderproduktion. Zudem wurden viele der kriegsdienstfähigen Arbeiter und Angestellte des Werks als Soldaten eingezogen. Die Folgen: Der Waffennachschub für die Armee kam ins Stocken und dem Werk in Sömmerda fehlten ausgebildete Arbeiter.

Nach wenigen Wochen sortierte sich die Lage. Das Rheinmetall-Werk produzierte jetzt ausschließlich Munition und Waffen für das Deutsche Reich und alle als Soldaten eingezogenen Arbeitskräfte wurden zurück in die Fabrik geordert. Zudem stellte man viele Frauen ein, um die Rüstungsproduktion maximal hochzufahren. Schließlich wurden auch hunderte Kriegsgefangene aus Frankreich und Rußland zur Arbeit eingesetzt.

Das Werk wuchs in rasanter Geschwindigkeit. Ohne Pause baute und produzierte man jetzt Tag und Nacht, sieben Tage die Woche. Neue Produktionsstätten schossen aus dem Boden, unter anderem der V-Bau. Jeden Tag produzierte man hier 50.000 Zünder sowie Maschinengewehre und Pistolen des Typs: Dreyse Modell 1907.

Der Name Dreyse Modell 1907 verweist auf die historischen Wurzeln des Rüstungsunternehmens, auf den Unternehmer Johann Nicolaus Dreyse, der mit seiner Erfindung des Zündnadelgewehrs in den 1830er Jahren den Grundstein für das gesamte Werk legte.

Die Rheinmetall baute diese Pistole von 1907 bis 1919. Es ist eine Halbautomatik bei der nach jedem Schuss sich automatisch eine neue Patrone in die Kammer legt. Das Modell gehörte in beiden Weltkriegen zur Ausrüstung der deutschen Armee.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann ein friedliches Kapitel im V-Bau. Auf Initiative des sowjetischen Generaldirektors sollte ein Teil des Gebäudes ein Ort der Kultur werden. 

Am ersten Mai 1950 feierte man die Eröffnung des Kulturhauses. Der Bau wurde zur Begegnungsstätte mit einem breiten Angebot: Tanzveranstaltungen, Theatervorstellungen, Konzerte und Filmvorführungen fanden hier statt. Das Haus hatte eine eigene Bibliothek und bot Räumlichkeiten für Trauungen und Jugendweihen. Das Büromaschinenwerk Sömmerda unterstützte mit einem gut ausgestatteten Kulturfond die sozialen- und kulturellen Aktivitäten. 

Mitte der 1990er Jahre mussten Teile des Gebäudes gesprengt werden, da der Beton durch die jahrzehntelange industrielle Nutzung mit Schadstoffen belastet war. Heute sitzen im Haus Arztpraxen und ein Jobcenter des Landkreises.

Alle Abbildungen: © Stadtarchiv Sömmerda
Informationen von Herrn Dr. Hans-Diether Dörfler, Sigmar Radestock