Station: [16] Voodoo auf Römisch


F: Die Texte klingen zuweilen sehr dramatisch. Von Feinden ist da die Rede, von verschmähter Liebe und lästigen Widersachern.

M: Man liest von Menschen, die zu den „Unterirdischen“ geschickt werden sollen. Also, im Prinzip: zur Hölle!

F: „Nomina data delta legata ad infernos, ut illios per vim corripiant: Siloniam Secundum! Ille te sponses procat, illum amo“.
„Die Namen, die ich für die Unterirdischen hiermit mitgebe, damit sie jene mit Gewalt verderben: Selina und Secundus. Jener hat sich mit Dir – Silonia – verlobt, ich aber liebe ihn!“

M: In der Antike wurde nach Herzenslust verflucht und verwunschen. Dafür fertigten die Römer eigens sogenannte Fluchtäfelchen an.

F: Vier solcher Fluchtäfelchen befinden sich in der Vitrine vor Ihnen. Sie wurden in einem römischen Gräberfeld in Bad Kreuznach entdeckt. Überhaupt scheinen im antiken Bad Kreuznach Schadenszauber besonders gerne genutzt worden zu sein. Immerhin fand man hier eines der größten Depots an Fluchtäfelchen nördlich der Alpen. Sie alle stammen aus dem 1. Jahrhundert nach Christus.

M: So ein Fluchtäfelchen besteht aus einem dünnen Blech aus Blei. Es hat eine rechteckige Form und ist nur einige Zentimeter groß. Teilweise sind auf den Blechen bis zu 100 Zeilen eingeritzt – dementsprechend eng, verschlungen und verwoben ist die Inschrift. Oft wurde der Fluch auch in einer Art Geheimschrift verfasst. Lange Zeit konnte man die Fluchtäfelchen daher gar nicht entziffern, erst mithilfe moderner Technik wurde dies möglich. Auf der Vorderseite stand meist: „Der Feinde Namen zu den Unterirdischen“. Auf der Rückseite wurden all jene aufgezählt, die verflucht werden sollten.

F: Oft wurden die Täfelchen gefaltet oder gerollt. Dementsprechend zerknittert sehen auch die Exponate in der Vitrine aus. Um der Verwünschung Nachdruck zu verleihen, durchbohrte man die Blechtafeln noch mit Nägeln. Danach wurden die sie vergraben, in Brunnen, Seen oder tiefe Erdspalten geworfen. Das sollte die Verdammten – im wahrsten Sinne – in die Unterwelt bringen.

M: Besonders spannend sind die Namen auf den Fluchtäfelchen. Sie verraten uns etwas über die Bewohner der Siedlung und ihre Berufe. Auf einem Fluchtäfelchen ist von einem gewissen Sinto zu lesen, auf anderen von einem Marullus oder Turicus. Insgesamt finden sich 49 Name. Es sind gallische, römische, aber auch germanische Namen. Das deutet darauf hin, dass Bad Kreuznach im 1. Jahrhundert nach Christus noch eine rein zivile Siedlung war.

 

Foto: © Römerhalle Bad Kreuznach