Station: [6] Schlafkammer


Ist das gemütlich hier. Und wie das nach Stroh duftet. Ich glaube, die haben die Strohsäcke gerade ganz frisch gefüllt. Jetzt ein kleines Nickerchen, das wäre fein. Nachthaube auf und eine schöne warme Bettpfanne, und ich könnte schlafen, bis zum nächsten Morgen. Ach Hans, was gäb' ich dafür, wenn ich nur einmal ausschlafen dürfte.

Sag mal Martha, wenn dich jemand hören würde. Schämen solltest du Dich. Mein Großvater hat schon gesagt: Eine fleißige Hausfrau ist die beste Sparbüchse

Also nun schlägt es aber 13! Eins will ich dir sagen, ich bin die erste, die bei uns daheim raus muss, noch vor dem Morgengrauen. Dann mache ich Feuer in der Küche, gebe dem Pferd sein Heu, versorge die Kinder und die Alten. Mit 50 bist du schon ne alte Frau hier, bei der ganzen Arbeit: Kochen, Waschen, im Garten und dann die Heimarbeit. Bis abends sitze ich und sticke und nähe für die Aussteuer anderer Leute. Und zum Schluss, da habe ich für mich doch keinen Pfennig zurückgelegt. Manchmal träume ich davon, einfach  einen richtigen Beruf zu erlernen, wie Schneiderin. Dann könnte ich für die Damen der feinen Gesellschaft nähen und würde in den Villen der Unternehmerfamilien ein und aus gehen. Aber das erlaubt mir mein Johann niemals. 

Recht hat er, wo kommen wir denn hin, wenn die Frau aus dem Haus geht um zu arbeiten. Das bringt doch nur Ärger.

Ach, aber zu Hause, da darf ich buckeln. Ja, ja, wenn ich das fromme Sprüchlein schon lese: "Dein Wille geschehe", der vom Heiland, oder der von meinem alten Johann?

Bist du ruhig, sei froh, dass du nicht im Mittelalter lebst, da hättest du bei so einem frechen Mundwerk schon Buße tun müssen. 

Nee Hans, die Frau ist nicht des Mannes Untertan, und einen Vormund braucht sie auch nicht. Schließlich leben wir nicht im Mittelalter. Und glaub mir, es wird der Tag kommen, wo sie selbst entscheiden darf, ob sie einen eigenen Beruf hat oder nicht, und wenn das auch noch hundert Jahre dauern soll. So und jetzt hab ich zu tun. Oben in der Vorratskammer finde ich hoffentlich noch etwas Bohnenkraut für meinen Eintopf.

Foto: © Fischer- und Webermuseum