Station: [4] Arbeitsstube
Keine Menschenseele da, richtig einsam hier in der Arbeitsstube, wenn alle raus sind zum Torfbrink.
Naja, um so besser, dann kann ich mich ja mal ganz in Ruhe umgucken. So eine Arbeitsstube, die haben wir ja alle zu Hause, aber die hier, die ist schon ein bisschen was Besonderes. Gucken Sie mal, wie hoch die Decke hier ist.
Jetzt wollen Sie sicher wissen, was das damit auf sich hat. Haben Sie ein Glück, dass ich so gut Bescheid weiß. Hier webt man nicht mehr auf einem einfachen Handwebstuhl sondern auf einem Jacquard-Webstuhl .
So ein richtig dolles Ding aus Frankreich. Da kommen die Fäden alle von oben runter, deswegen passt der auch nicht in einen normalen Raum mehr rein, so hoch ist der. Und was man mit dem für tolle Muster weben kann, aber dafür sind die Steinhuder Weber ja ohnehin berühmt. Geht mit 'nem Jacquard-Webstuhl dann nur einfacher. Woher die sich so einen teuren Webstuhl leisten können, wüsste ich schon gerne.
Ich meine weben, ja das tut hier halb Steinhude. Bald in jedem zweiten Haus sitzt der Mann am Webstuhl und webt sein Leinen. Schiffchen links, Schiffchen rechts. Was sollen wir denn machen, hier wächst ja nichts, alles nur Sand und Moor, Landwirtschaft bringt nichts ein, das reicht gerade mal, um selbst über die Runden zu kommen. Aber der Flachs, der ist genauso zäh wie wir Steinhuder und wächst hier gut. Den brauchen wir ja als Rohstoff für unser Leinen. Meine Finger sind schon ganz Wund vom Flachsgarn spinnen. Und mein Mann, der Johann, der ist auch ein Handweber. So wie sein Vater und dessen Vater, und so wird es auch immer bleiben, hoffentlich. Aber die großen Webereien werden immer größer und verdrängen die kleinen Handweber, wie meinen Johann immer mehr. Aber als Arbeiter bei den Großen arbeiten? Das ist nichts für meinen Johann.
Und wir Frauen, wir sitzen und spinnen und nähen und sticken daheim von früh bis spät. Und zum Schluss, bleibt wieder nichts auf der hohen Kante. Aber schön ist es doch, so alle zusammen in der Arbeitsstube. Da wird gelacht und geflachst, die Fischernetze geflickt und dreimal am Tag kommt das Essen auf den Tisch. Dann sind wir alle zusammen, die Oma, die Kinder, wir alle, auch der Knecht.
Foto: © Fischer- und Webermuseum