Station: [22] Susanne Kessler: „Europa“ (2018)
Ein Gemenge aus Netzen, Draht und Plastik breitet sich organisch vor uns aus. Ist es etwa „Entsorgtes“, das man an allen Stränden Europas finden kann? Betrachtet man das scheinbar formlose Gebilde genauer, zeichnen sich tatsächlich die Umrisse einer Europakarte ab. Um geographische Genauigkeit ging es der Künstlerin allerdings nicht. Susanne Kessler experimentiert mit Linien im dreidimensionalen Raum. Hier zeichnet sie mit einem Drahtseil Formen, die zugleich vertraut und abstrakt sind, und zu individuellen Interpretationen einladen. Für mich stehen die komplexen Überlagerungen von Silhouetten und Materialien für die politischen und kulturellen Vernetzungen innerhalb Europas. Im Osten liegt eine große Spule der Schnur, aus der die Künstlerin die Länder geformt hat. Man muss also mit Wandlung und Entwicklung rechnen: kann die Europäische Union wachsen? Ist das Netz, das die Länder verbindet, die Grundlage für ein gemeinsames Handeln? Gedankenversunken im Gewirr des Kunstwerkes, fällt mir auf, dass Großbritannien und Irland losgelöst vom Drahtgeflecht abdriften. Wie stabil sind die Strukturen wirklich, die wir für selbstverständlich halten? Was denken Sie, liebe Besucherinnen und Besucher? Was fällt Ihnen auf, wenn Sie in dieser Europakarte auf Entdeckungsreise gehen? Susanne Kessler begann „Europa“ in Italien und stellte die Installation fertig, um sie auf Föhr zu präsentieren. Somit ist dieses Kunstwerk ein wundervolles Beispiel für ein staaten – und kulturenübergreifendes Kunstschaffen. Nicht nur hier, am MKdW, sondern auch im Europarat, weiß man diese besondere Qualität von Susanne Kesslers Arbeiten zu schätzen. Die Installation, die Sie vor sich sehen, gehört zu dem Themenkomplex „Roots and Borders“, für den im Jahr 2021 eine spannende Ausstellung im Europarat geplant ist.