Station: [9] Webkammer
Altbäuerin Katharina: Wo soll das bloß noch hinführen? Ravensberger Leinenstoff – das war mal was! Wo die Bielefelder Kaufleute unsere Stoffe überallhin exportiert haben. Nach England. Nach Spanien. Nach Schweden. Ja, sogar nach Russland und Amerika gingen unsere Stoffe.
Und jetzt? Jetzt könnte bald alles vorbei sein. Mit einer Maschine kann ich einfach nicht mithalten. Diese verdammten Engländer mit ihrer Erfindung … Pff, maschinelles Garn. Das verdammte Zeug wird uns noch zugrunde richten. Man kann ja sehen, wie der Garnpreis jedes Jahr weiter fällt. Bald ist das Garn gar nichts mehr wert. Aber ob das Maschinengarn auch wirklich gut ist? Ich habe gehört, es ist nicht besonders stabil und reißt recht schnell.
Unsere beiden Heuerlingsfamilien leben ausschließlich von der Spinnerei und der Garnherstellung. Denen ist beinahe ihr komplettes Einkommen weggebrochen. Die Landheuer können sie schon seit Monaten nicht mehr aufbringen und deswegen gibt
es immer häufiger Streit. Tag und Nacht sind sie jetzt am Spinnen. Selbst die Kinder! Schon die ganz kleinen winden das Garn auf die Spulen!
Wenn jetzt noch eine Missernte hinzukommt, dann sind auch wir ruiniert. Wo soll das Geld herkommen, um notfalls mal Getreide kaufen zu können? Und dann noch die Unterstützung für die Armen im Dorf. Die müssen wir Bauern ja auch noch bezahlen. Das Alles wird ins Unerschwingliche steigen. Ich mag gar nicht daran denken.
Handarbeit hat nun einmal ihren Preis. Um aus Flachs einen guten, glatten Faden zu machen, braucht es viele geschickte Hände und viele Stunden. Ich bin mir sicher, die Maschine ist schnell. Aber kann sie auch so fein spinnen, wie wir das hier tun? Ich habe schon von Webern gehört, die das billige Maschinengarn „verfeinert“ haben. In feingemahlener Holzkohle haben sie das Garn gekocht und es den Leuten dann als Handgespinst verkauft. Elende Betrüger!
Foto: Bielefelder BauernhausMuseum