Station: [6] Das kalte Herz


Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den  Schwarzwald hineinzuschauen; nicht der Bäume wegen, obgleich man nicht überall  solch unermeßliche Menge herrlich aufgeschossener Tannen findet, sondern wegen  der Leute, die sich von den andern Menschen ringsumher merkwürdig unterscheiden.  Sie sind größer als gewöhnliche Menschen, breitschultrig, von starken Gliedern, und es  ist, als ob der stärkende Duft, der morgens durch die Tannen strömt, ihnen von Jugend  auf einen freieren Atem, ein klareres Auge und einen festeren, wenn auch rauheren  Mut als den Bewohnern der Stromtäler und Ebenen gegeben hätte.

Mit diesen Worten beginnt Wilhelm Hauffs wohl bekanntestes Märchen. Das kalte  Herz. Es ist die Geschichte von Peter Munk, auch Kohlenmunk-Peter genannt. Tief im  Schwarzwald führt er die Köhlerei seines verstorbenen Vaters. Doch Peter hat einen  Traum – er träumt von viel Geld und großem Ansehen. Also von allem, was ein Köhler  nicht hat. Um sein Ziel zu erreichen, geht Peter schließlich einen fatalen Pakt mit dem  Holländer-Michel ein. 

Seit hundert Jahren treibt er seinen Spuk im Wald, und man sagt, daß er schon vielen  behilflich gewesen sei, reich zu werden, aber auf Kosten ihrer armen Seele.

Der Holländer-Michel verspricht Peter unermesslichen Reichtum. Doch im Gegenzug  fordert er Peters Herz. 

»Schau!« sprach Holländer-Michel, »diese alle haben des Lebens Ängste und Sorgen weggeworfen, keines dieser Herzen schlägt mehr ängstlich und besorgt, und ihre  ehemaligen Besitzer befinden sich wohl dabei, daß sie den unruhigen Gast aus dem  Hause haben.« 

»Aber was tragen sie denn jetzt dafür in der Brust?« fragte Peter, den dies alles, was  er gesehen, beinahe schwindeln machte.  

»Dies«, antwortete jener und reichte ihm aus einem Schubfach ein steinernes Herz.

Alle Abbildungen: © Wilhelm-Hauff-Museum