Sprachliche Interventionen in den Dichterhäusern, Museen und im Stadtraum
Der Parcours „Sprachexplosionen“ verbindet die kreative Sprengkraft der Literatur um 1800 mit dem Konflikt- und Eruptionspotential öffentlichen Sprechens im 20. und 21. Jahrhundert. Goethe- und Schillerhaus, Museum Neues Weimar, Nietzsche-Archiv und vor allem der Stadtraum werden mit poetischen Wortskulpturen bespielt. Die expressive Gestaltung der in Weimar geborenen und in Berlin lebenden Grafikdesignerin Ariane Spanier stellt zwischen den inhaltlich verschiedenen und an unterschiedlichen Orten aufgestellten Präsentationen eine Verbindung her.
Der klassische Teil blickt im Goethe- und im Schillerhaus aus ungewohnten Perspektiven auf Texte und Wörter von Johann Wolfgang (von) Goethe, Friedrich (von) Schiller und Christoph Martin Wieland. In Goethes Kutschenraum setzt der Motion-Designer Stefan Matlik neue Wörter nicht nur der Klassik in Bewegung, im Schillerhaus die Ode „An die Freude“. Deren extensives, immer auch politisch aufgeladenes ‚Nachleben‘ setzen die Filmemacher*innen Nina Mair und Robert Jahn mit Videostatements, z. B. von Politiker*innen, Wissenschaftler*innen, Musiker*innen in Szene.
In Goethe einzutauchen ist in einem von Ariane Spanier von oben bis unten mit Gedichten vollgeschriebenen Raum möglich, und Goethes Abort wird ebenso geöffnet wie ein Raum für private und zensierte Sprache.
Markante Sprachexplosionskörper im Stadtraum, zeigen pointierte Zitate, die direkt an unserer Gegenwart andocken – „Wir schlafen sämmtlich auf Vulkanen“ (Goethe).
Die Parcours-Stationen im Museum Neues Weimar und im Nietzsche-Archiv beschäftigen sich mit der Sprache der ideologisch aufgeladenen Moderne. Am Beispiel des Nationalsozialismus verdeutlicht ein kurzes Audiofeature im Museum Neues Weimar, wie die gezielte Anwendung von Sprache ganze Weltbilder geprägt hat und immer noch prägt. Zitate von Victor Klemperer und Dolf Sternberger auf den Explosionskörpern vor dem Museum und auf dem August-Baudert-Platz vor dem Weimarer Bahnhof bringen auf den Punkt, dass wirkungsvoll eingesetzte Sprache neue Realitäten schaffen kann. Ein zweites Audiofeature im Nietzsche-Archiv legt offen, wie Elisabeth Förster-Nietzsche und ihre Mitarbeiter die Schriften Friedrich Nietzsches für posthume Editionen bewusst fälschten. Im Fall der Schwester des Philosophen diente Sprache zur Selbstinszenierung und Einflussnahme im Sinne ihres eigenen Weltbildes. Wie das Parcours-Zitat vor dem Nietzsche-Archiv belegt, hatte Nietzsche bereits die Sprache als unsicheren Faktor für Wahrnehmung und Verständigung entlarvt, indem er fragte: „Ist die Sprache der adäquate Ausdruck aller Realitäten?“
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