Station: [0903] die Weißgerber-Gitarren; französische Wappengitarre Inv. Nr.: 5355


Hörbeispiel: Titel 13 der CD: "Die Weißgerber-Gitarren des Musikinstrumenten-Museums Markneukirchen" Fernando Sor (1778-1839) Andantino op. 44 No. 3 eingespielt von Christof Hanusch

Sie erhalten diese CD für 15,00 € im Tourismusbüro (Museumskasse) im Gerber-Hans-Haus.


Französische Wappengitarre von Richard Jacob „Weißgerber“ Markneukirchen 1924 Inv. Nr.: 5355

Gitarre (wappenförmig), gef. v. Richard Jacob ("Weißgerber"), Markneukirchen, Fichtendecke mit Blattornamenten; Zargen, Boden (leicht gewölbt) aus Palisander, Griffbrett aus Ebenholz mit Elfenbein-Bünden; ovales Schallloch

Die Form des schmalen Biedermeiermodells geht auf Gitarren zurück, wie sie ähnlich in Frankreich um 1830 von Charles Jaquot (Nancy) und François Soriot (Mirecourt) gebaut worden sind. Ihre eigenwillige Form mit den beiden spitz angesetzen Bögen am Oberbug und das ovale Schalloch wurden von Richard Jacob zwar grundsätzlich übernommen, insgesamt folgt dann aber wie üblich eigenen ästhetischen und konstruktiven Prinzipien. Das Modell mit den feinen Dekors war als apartes Dameninstrument für die Hausmusik gehobener bürgerlicher Kreise bestimmt. Die äußerst aufwändigen Intarsien am Rand und um das Schalloch sind Teil der Gesamtgestaltung und vermutlich von Richard Jacob für dieses Modell entworfen. Das ausgefallene/elegante Modell passt jedenfalls in die Zeit von Richard Jacobs Neuorientierung kurz nach der Gründung der „Kunstwerkstätte Weißgerber“ und der in diesem Zuge ehrgeizig angestrebten Erweiterung seines Sortimentes zum Anfang der 1920er Jahre.

Eine Besonderheit bei der französischen Wappengitarre Richard Jacobs ist die historisierende Form des Griffbrettes auf einer Ebene mit der Decke und die Verwendung von Elfenbeinbünden statt der modernen Bünden aus Neusilberdraht. Warum Richard Jacob bei diesem Modell kein aufgesetztes Griffbrett benutzt, wie üblich – und wie auch bei Jaquot verwendet – ist fraglich; er entwirft hier ein historisierendes Gitarrenmodell, für das es kein echtes historisches Vorbild gibt.

Die Kopfform orientiert sich an den barocken Wirbelbrettern alter italienischer Gitarren und nicht an den französischen Wappengitarren des 19. Jahrhunderts, die den Stil von Stauffers Gitarrenköpfen in Form einer Volute aufgreifen. Zum Stimmen dienen hinterständige Patent-Wirbel, funktional ähnlich denen, die italienische Instrumentenbauer wie Joseph Marconcini in Ferrara (?) schon am Ende des 18. Jahrhunderts verwendet hatten.

Insgesamt entwirft er hier ein Gitarrenmodell, dass den Anschein eines historischen Instrumentes erwecken soll, dabei verknüpft er Einflüsse verschiedener Schulen und verbindet diese mit seinen eigenen Vorstellungen. Der von französischen Stegformen inspirierte Saitenhalter, ebenfalls ein eigener Entwurf Richard Jacobs, wurde bei dem hier vorliegenden Instrument von Dieter Hense nachgebildet, der das Instrument vollendete, bevor es in die Sammlung des Musikinstrumenten-Museums Markneukirchen kam.

Maße

Mensur 628

Gesamtlänge    931

Korpus Länge   469

Korpus Breite   230 / 168 / 297 230 / 170 / 297

Zargen Höhe     66 / 79 / 64

Schallloch        68 x 95,5

Hals Länge       313

Kopf Länge / Breite 163 / max 79

Griffbrett Breite 44 / 54,5

Gewicht in Gramm        1150

Material

Decke  Fichte

Boden / Zargen Palisander

Rand / Randeinlagen    

Rosette

Ornamente       

Hals     Nussbaum

Griffbrett: Ebenholz

Kopf    Nussbaum mit Ebenholz Furnier

Wirbel   Patentwirbel mit Ebenholz-Griffen

Obersattel        Elfenbein

Bünde  18 Elfenbein


2010 jährte sich zum 50. Mal der Todestag des Markneukirchner Gitarrenbauers Richard Jacob „Weißgerber“. Grund genug für den Verein der Freunde und Förderer des Musikinstrumenten-Museums Markneukirchen e. V. die Weißgerber-Tage 2010 zu veranstalten.

In einer Sonderausstellung im Historischen Sägewerk Markneukirchen zeugten 58 Weißgerber-Gitarren von der Vielschichtigkeit und vom Talent des außergewöhnlichen Meisters. Die Instrumente wurden zwischen 1911 und 1960 gebaut und boten einen repräsentativen Überblick über Richard Jacobs reiches Schaffen. Neben Exponaten aus den Kollektionen des Musikinstrumenten-Museums Markneukirchen, der Westsächsischen Hochschule Zwickau, Studiengang Musikinstrumentenbau und der Privatsammlung von Christof Hanusch enthielt diese hochkarätige Sonderaustellung auch Instrumente von  Privatpersonen.

In der Reihe „Meisterleistungen deutscher Instrumentenbaukunst“, herausgegeben vom Museumsverein, erschien in diesem Zusammenhang der 2. Band: „Weißgerber – Gitarren von Richard Jacob“. (115,00 €)

Autor Christof Hanusch ist selbst passionierter Weißgerber-Fan und blickt in seinem Buch tief in die Geschichte der Kunstwerkstätte Weißgerber, von deren Gründung durch Karl August Jacob 1872 bis zum Tod Martin Jacobs 1991.  Im Mittelpunkt steht jedoch das Leben und Werk von Richard Jacob „Weißgerber“ (1877-1960). Neben vielen originalen Quellen, die hier zum ersten Mal veröffentlicht werden und der Auswertung von Daten von über 430 Weißgerber-Instrumenten ist auch der umfangreiche Farbbildteil eine große Besonderheit des Buches, welches gleichzeitig der Katalog zur Sonderausstellung ist.

Weiterhin ist die DVD: "Ohne meine Tulpe geh ich irre" erschienen, eine Führung durch die Sonderausstelllung der Weißgerber-Gitarren mit Christof Hanusch. (15,00 €)

Die Publikationen erhalten Sie im Tourismusbüro (Museumskasse) im Gerber-Hans-Haus oder sprechen Sie einfach das Museumspersonal an.