Es ist das wohl größte archäologische Outdoor-Panorama Deutschlands: Das 56,5 Meter lange und 5 Meter hohe Siedlungspanorama in Güglingen bietet nun einen lebendigen und anschaulichen Blick in die Zeit vor 1800 Jahren.
In Güglingen befand sich eine kleinstädtische römische Siedlung (Vicus), in der einst 800-1000 Menschen lebten. Als wichtiger Mittelpunktsort für die Umgebung war ihr Bild von Handwerkern und Händlern bestimmt.
Die Archäologische Freilichtanlage am originalen Ausgrabungsort des römischen Vicus wurde im Jahr 2008 entwickelt und am Tag des Offenen Denkmals 2009 eingeweiht.
Bereits damals war es ein Teil der Konzeption, an der Rückseite des städtischen Bauhofs ein großes Siedlungspanorama anzubringen, das als „Fenster in die Vergangenheit“ auf lebendige und anschauliche Weise den Blick in den Vicus vor 1800 Jahren zeigt.
Im Mai 2017 schließlich konnte die Wand feierlich eingeweiht werden, nachdem zahlreiche Konzept- und Detailstudien, Vorstufen und eine erfolgreiche Sponsorensuche absolviert waren.
Die 56,5 Meter lange und rund 5 Meter hohe Panoramawand bietet nun eine didaktische Verknüpfung des begehbaren Teils der Freilichtanlage und jener ausgegrabener Flächen im Bereich des heutigen Bauhofs, in denen der Hauptteil der bislang wissenschaftlich untersuchten Siedlung lag.
Der Stuttgarter Künstler Markus Ege rekonstruierte für das Panorama die Gebäude und andere Siedlungselemente auf der Basis ihrer archäologischen Grundrisse und Befunde. Vielfach ließen sich durch Funde auch einzelne Handwerks- und andere Tätigkeiten konkret den Häusern und ihren Grundstücken zuordnen und somit illustrieren. Selbst der dargestellte Bewuchs lehnt sich an die hier gefundenen Pflanzenreste an.
Über 70 Lebensbilder schildern so nun die verschiedensten Aspekte des Geschehens und Lebens in der rein zivil geprägten Siedlung: Dadurch werden Bereiche wie beispielsweise gewerbliche Tätigkeiten, Ernährung und Versorgung, Religion, soziale Unterschiede, das Kinderleben und vieles mehr wieder gegenwärtig.
Als Momentaufnahme zeigt das Panorama, wie man sich den Vicus während seines Bestehens vorstellen kann: Es existieren zahlreiche Holzfachwerkhäuser neben wenigen Steingebäuden – neue Häuser genauso wie alte und reparaturbedürftige oder Häuser im Bau.
Von einem Idealstandpunkt aus blickt man auf die Hofparzellen und die Rückseiten dieser römischen Streifenhäuser. Ihre Stirnseiten sind – nach einer einheitlichen Bauordnung – firstständig zur jenseitig gelegenen Hauptstraße orientiert.
Hinter den Häusern führt ein Weg vorbei, der parallel zur Hauptstraße verläuft und an dem auch die beiden Güglinger Mithräen gelegen sind.
In den Hofbereichen der Grundstücke befinden sich verschiedentlich Nebengebäude, Latrinen und Brunnen, Bereiche mit Gärtchen und Viehhaltung oder auch Wirtschaftszonen mit Freiluftwerkstätten und Töpfereien.
In den Jahren 1991/92 wurde eine reich ausgestattete römische Villenanlage in Güglingen-Frauenzimmern archäologisch untersucht. Ein 11,5 x 7,7 Meter großes Wasserbecken, das vor der Front des Hauptgebäudes lag, barg eine archäologische Sensation: Es enthielt unzählige Skulpturenfragmente, die verschiedene Szenen aus der „Odyssee“ erkennen ließen. Von einer hiesigen römischen Bildhauerwerkstätte aus regionalem Schilfsandstein gearbeitet, gehörten sie einst zu einem Reliefzyklus, der nördlich der Alpen ohne jeden Vergleich ist.
Dieser einzigartige Reliefzyklus wurde in den zurückliegenden 8 Jahren einer intensiven Bearbeitung unterzogen, um dem gigantischen Puzzle noch ein größtmögliches Maß an Informationen zu entlocken und trotz seiner Lückenhaftigkeit zu einer möglichst fundierten musealen Präsentation zu kommen. Sie ist nun in der Dauerausstellung des Römermuseums als weiteres Highlight zu sehen.Die Reliefs geben einen Einblick in Bildungsstand und Repräsentationsbedürfnis des wohlhabenden römischen Villenbesitzers: So zeigen die verschiedenen Bildmotive u.a. die Blendung des Polyphem und die Flucht aus der Kyklopenhöhle, das Sirenen-Abenteuer des Odysseus oder auch die Begegnung mit dem Meerungeheuer Skylla. Insgesamt legt der Skulpturenschmuck des Wasserbeckens in seiner Zusammenstellung Parallelen zu römischen Kaiservillen in Campanien und dem Latium nahe: In deren Skulpturenausstattung erscheinen ebenfalls Motive aus der Odyssee, die in Bezug zu Wasser aufgestellt waren.Eine gleichnamige temporäre Begleitausstellung greift den Epos der "Odyssee" des griechischen Dichters Homer auf, gemeinsam mit seiner "Ilias" eines der ältesten Werke unserer abendländischen Literatur. Sie beleuchtet nicht nur dessen Einfluss auf Literatur und Kunst der Antike – hintergründig betrachtet werden auch weitere berühmte Irrfahrten, wie etwa die Argonautensage und Vergil’s „Aeneis“, das Nationalepos der Römer.
Schon recht früh beschäftigten sich antike Geographen und Autoren mit der Lokalisierung der Stationen dieser verschiedenen Irrfahrten. Eine Skizzierung jener antiken Lokalisierungstheorien führt den Besucher in einer reich bebilderten Reise durch die mythischen Landschaften und Orte des Mittelmeers.
Ausgewählte Exponate aus den Beständen des Historischen Museums der Pfalz in Speyer sowie des Universitätsmuseums Tübingen illustrieren in der Ausstellung die Bilderwelt der Odyssee: Sie reichen von Darstellungen des geblendeten Kyklopen Polyphem über die verführerischen Sirenen und das grausige Seeungeheuer Skylla bis hin zu verschiedenen Meereswesen. Als Mit-Mach-Elemente kann man sich mit Teilen der Rüstung eines griechischen Kriegers als Gefährte des Odysseus ausstaffieren oder gar als Odysseus selbst - mit seiner typischen Filzkappe.
Begleitband:
Zu Neupräsentation und Begleitausstellung ist ein gleichnamiger Begleitband als Band 5 in der Schriftenreihe des Römermuseums Güglingen erschienen (192 S., mit 242 Abb. und 17 Karten; (ISBN 978-3-9812803-5-7).