Ein Museum für zeitgenössische Kunst stellt auf vieldeutige Weise eine „soziale Einrichtung“ dar, unter anderem ist es die gesellschaftliche Institution, die sich mit den aktuellen Kommunikationsformen in Kunst und Alltag beschäftigt, sie überprüft und hinterfragt.
Das Kunstmuseum Bochum wurde als Städtische Kunstgalerie für Kunst nach 1945 im Jahre 1960 gegründet. Fünfzehn Jahre nach dem Ende des 2.Weltkriegs war es erklärtes Ziel, das erste Museum für moderne Kunst in Deutschland zu gründen. Man wollte mit den Worten des Kunstkritikers Schulze Vellinghausen ein „optisches Kraftfeld im Zentrum der Stadt“ schaffen – ein Anspruch, den auch wir für unsere Arbeit erheben. Mittlerweile sammelt, bewahrt und präsentiert unser Institut internationale Kunst von 1900 bis in die Gegenwart. Das Kunstmuseum Bochum liegt inmitten der dichten Museumslandschaft des Ruhrgebietes und in direkter Nachbarschaft zu den rheinischen Kunstmetropolen Düsseldorf und Köln. Dieser kulturgeographischen Lage zum einen und dem bundesweiten Kunsttourismus zum anderen trägt das Programm Rechnung.
Zu unserem Selbstverständnis als städtisches Museum gehört es, eine Balance zwischen lokalen Bedürfnissen und überregionalen Ansprüchen zu finden. Es gilt, die am Ort vorhandenen künstlerischen und kulturpolitischen Energien für eine Identifikation stiftende Arbeit zu mobilisieren und zugleich national und international wirksam zu sein. Als Mittler zwischen Kunst und Betrachter beobachten wir, dass in Zeiten technischer Bilderfluten und virtueller Welten das Gefühl für das Einmalige, Unwiederbringliche, das Authentische verloren geht und zugleich ein „visueller Analphabetismus“ herrscht. Vor diesem Hintergrund sehen wir unseren politischen Auftrag darin, zum emanzipierten also selbstbestimmten Sehen zu leiten, gleichermaßen in der Kunst wie im Alltag.
Um unkonventionelle Mittel bei der Kontaktaufnahme bemüht, prägt das Kunstmuseum Bochum ein nahezu konservatives Selbstverständnis: Als städtisches Institut wirken wir im politischen Auftrag der Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Im Unterschied zu einem Privatmuseum, wo der Träger beziehungsweise Geldgeber beliebig Prioritäten festlegen kann, wo persönliche Vorlieben oder kommerzielle Erfolge Maßstäbe setzen, muss eine kommunale Einrichtung einerseits nach „demokratischen Prinzipien“ informieren und kommunizieren, andererseits jedes System, ob ästhetisch, philosophisch oder politisch, in Frage stellen – eine Pflicht, deren Erfüllung wir ernst nehmen. Konkret heißt das, die Verantwortung für die Wahrung der Freiheit von Kunst zu übernehmen und zugleich den Bürger zu visueller, besser: ästhetischer Mündigkeit zu leiten. Das hat zur Konsequenz, dass neben dem Befördern, Initiieren und Erforschen von Kunst, deren Vermittlung einen besonders hohen Stellenwert besitzt.
Ein Museum für zeitgenössische Kunst stellt auf vieldeutige Weise eine „soziale Einrichtung“ dar, unter anderem ist es die gesellschaftliche Institution, die sich mit den aktuellen Kommunikationsformen in Kunst und Alltag beschäftigt, sie überprüft und hinterfragt. Einerseits die Stadt mit ihren gesetzlichen und politischen Aufgaben und Strukturen repräsentierend, muss ein städtisches Museum für zeitgenössische Kunst die für sie existenziell notwendige Freiheit zur Entfaltung garantieren. Es darf nicht zur leistungsorientierten Bildungsanstalt oder kommerziell ausgerichteten Freizeiteinrichtung verkümmern, wenn es die emanzipatorische Kraft von Kunst erfahrbar machen soll.
Wir beanspruchen, ein besonderer Ort zu sein, der anderen Orten unähnlich ist, ihnen widerspricht, sich ihnen entzieht. Pointiert formuliert geht es darum, das Museum in Widerspruch zur Gesellschaft zu verorten, es nicht anzupassen, sondern provokant auszusondern. Statt den Sinn eines zeitgenössischen Museums in der „Aktualität“ zu erschöpfen, geht es um „Alterität“ und „Andersartigkeit“. Diese programmatische Provokation funktioniert jedoch nicht ohne Identifikation – sie erfordert zugleich die Verortung am Ort – eine Herausforderung, der wir uns stellen!