Same bold stories? Schriftgestaltung von Frauen und Queers im 20. und 21. Jahrhunger
Lange wurde die Geschichte der Schriftgestaltung und Typografie aus einer rein männlichen Perspektive wiedergegeben. Nun widmet sich die Forschung im Bereich der Schriftgestaltung zunehmend auch den Frauen, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Schriftherstellung tätig waren, ohne wirklich sichtbar geworden zu sein.
Die Ausstellung „Same Bold Stories?“ macht es sich zur Aufgabe, die historische schriftbezogene Sammlung des Klingspor Museums (1900 – 1950) nach diesen weiblichen Positionen zu durchforschen und die Geschichtsschreibung der Schriftgestaltung um ihre Biografien und Werke zu ergänzen. Nur wenige Frauen wie Anna Simons, Erika Giovanna Klien oder Gudrun Zapf-von Hesse erlangten bereits zu Lebzeiten größere Bekanntheit. Daneben gibt es Schriftgestalterinnen wie Elizabeth Friedländer, Ilse Schüle, Anna Maria Schildbach, Maria Ballé und zahlreiche Schülerinnen, etwa der Schriftklassen Rudolf von Larischs in Wien und Rudolf Kochs in Offenbach, die in der Sammlung enthalten sind und nun erstmals in den Fokus rücken.
Von der historischen Sammlung ausgehend wird der Bogen geschlagen zum Typedesign der Gegenwart – von Personen, die sich als FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter*, Trans* und Agender) identifizieren. Selbstbewusst und innovativ gestalten sie nicht nur Schriften, sondern auch die internationale Schriftszene mit. Ideen von kollektivem Arbeiten finden hier Anwendung und solidarische Distributionswege stehen neben klassischen Vertrieben in Type Foundries. Häufig verwischt dabei die Grenze zwischen Anwendung und Kunst, sodass spannende inhaltliche Konzepte ein neues Nachdenken über Typedesign und Typografie im 21. Jahrhundert anstoßen. Émilie Aurat, Jin-Hoo Park, Golnar Kat Rahmani und Nat Pyper sind nur einige der zahlreichen Namen, die in der Ausstellung vereint und in Kontext zueinander gesetzt werden.
Über alle Themenbereiche hinweg verweben sich auch die historischen und zeitgenössischen Positionen miteinander, womit sich die Ausstellung selbst in eine Geschichtsschreibung nach dem Prinzip der „Messy History“ einfügt. Die Ausstellung plädiert nicht auf Vollständigkeit, sondern rückt nach und nach mehr Fragmente ins Licht. Durch das Nebeneinanderstellen dieser teilweise sehr verschiedenen Perspektiven ergibt sich so eine neue Lesart von Geschichte.
Ein Begleitband zur Ausstellung erscheint am 23. August und bietet eine informative und theoretische Erweiterung zu den ausgestellten Arbeiten. Durch Artikel und Interviews mit zeitgenössischen Akteure der Type Szene, wie ALT.tf, Nadine Chahine, Katharina Koch, Laura Meseguer oder Teal Triggs wird auch hier deutlich, dass Geschichtsschreibung selten lückenlos ist und Leerstellen, wenn überhaupt, nur durch die bewusste Auseinandersetzung mit ihnen geschlossen werden können.
Das Konzept der Ausstellung ist in Kooperation des Klingspor Museums mit dem Designstudio turbo type und dem feministischen Kollektiv +FEM entstanden.
Die Ausstellung wird gefördert vom Kulturfonds FrankfurtRheinMain.