Podiumsgespräch mit Horst Donth, ehemaliger HauptabteilungsleiterKonsumgüterproduktion im PCK Schwedt, und Prof. Dr. Dr. Karl Döring, ehemaliger Generaldirektor des VEB Bandstahlkombinat Eisenhüttenstadt.Das „Garten-Ei“ und der „Känguruh-Stuhl“ gelten heute als Ikonen ostdeutschen Designs. Hergestellt wurden diese Sitzmöbel aus dem Kunststoff Polyurethan (PUR) aber im Zuge einer spannenden Transfergeschichte zwischen West und Ost. Kunststoffe bereiteten nach dem Zweiten Weltkrieg den Weg in ein Zeitalter des vermeintlich grenzenlosen Konsums. Massenhaft, preisgünstig und in beinahe beliebiger Farb- und Formgebung herstellbar, beflügelten sie Produktdesign und Industrieproduktion. Trieb in der westlichen Welt die Privatwirtschaft ihre Verbreitung voran, so war dies in den Ländern des Staatssozialismus die Politik. Es herrschte weltweit ein nicht mehr aufzuhaltender Boom der zukunftsversprechenden synthetischen Werkstoffe. Nach der Maxime „Chemie gibt Brot, Wohlstand und Schönheit“ stellte die DDR um 1960 die Weichen für „Plaste und Elaste“ im Alltag. Doch trotz hoher Investitionen fiel es ihr schwer, mit westlichen Innovationen Schritt zu halten. Mitte des Jahrzehnts erschien Polyurethan am Horizont, marktreif gemacht vom westdeutschen Bayer-Konzern. Es drang in neue Anwendungsbereiche wie den Möbelbau vor. Spektakulär demonstrierte dies der aus einem Guss gefertigte „Panton-Chair“. Ebenso feierten bundesdeutsche Gestalter wie Ernst Moeckl und Peter Ghyczy mit fließenden Formen und intensiven Farben das von Konventionen befreite Lebensgefühl des POP-Zeitalters. Begeistert von den Möglichkeiten, massenhaft Möbel aus Kunststoff statt aus Holz produzieren zu können, kaufte die DDR Anfang der 1970er Jahre in der Bundesrepublik Maschinen und Designs zur Herstellung von PUR-Möbeln. Bald produzierte sie mehr Kunststoffmöbel aus Polyurethan als jedes andere Land auf der Welt. Diese wurden als Zeichen des sozialistischen Fortschritts inszeniert, ohne die westdeutschen Ursprünge zu benennen. Daneben entstanden an Hochschulen und in Betrieben kreative Eigenentwürfe von ostdeutschen Formgestaltern für Möbel aus PUR, die teils aber keine Umsetzung fanden. Die Ausstellung betrachtet die PUR-Möbelherstellung bis in die frühen 1980er Jahre und zeigt neben Fotos, Werbung und Filmauszügen zahlreiche ikonische und bislang wenig bekannte Möbelbeispiele – entworfen in der Bundesrepublik und der DDR. Sie blickt auf designhistorische und wirtschaftspolitische Aspekte und fragt nach dem künftigen Umgang mit dem schwer recycelbaren Material Polyurethan. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und wurde gefördert durch die Bundesstiftung Aufarbeitung und BASF Schwarzheide GmbH. Das Museum Utopie und Alltag ist eine Einrichtung des Landkreises Oder-Spree und wird gefördert durch das Land Brandenburg.
06. Oct 2024 - 15:00
Erich-Weinert-Allee 3
Eisenhüttenstadt
15890
Deutschland

Aktueller Termin von "Museum Utopie und Alltag"

Podiumsgespräch – Konsumgüter aus Industriekombinaten der DDR

06. Oct 2024 - 15:00 – 06. Oct 2024 - 16:30
Museum Utopie und Alltag

Podiumsgespräch mit Horst Donth, ehemaliger Hauptabteilungsleiter
Konsumgüterproduktion im PCK Schwedt, und Prof. Dr. Dr. Karl Döring, ehemaliger Generaldirektor des VEB Bandstahlkombinat Eisenhüttenstadt.

Das „Garten-Ei“ und der „Känguruh-Stuhl“ gelten heute als Ikonen ostdeutschen Designs. Hergestellt wurden diese Sitzmöbel aus dem Kunststoff Polyurethan (PUR) aber im Zuge einer spannenden Transfergeschichte zwischen West und Ost.

 

Kunststoffe bereiteten nach dem Zweiten Weltkrieg den Weg in ein Zeitalter des vermeintlich grenzenlosen Konsums. Massenhaft, preisgünstig und in beinahe beliebiger Farb- und Formgebung herstellbar, beflügelten sie Produktdesign und Industrieproduktion. Trieb in der westlichen Welt die Privatwirtschaft ihre Verbreitung voran, so war dies in den Ländern des Staatssozialismus die Politik. Es herrschte weltweit ein nicht mehr aufzuhaltender Boom der zukunftsversprechenden synthetischen Werkstoffe.
 

Nach der Maxime „Chemie gibt Brot, Wohlstand und Schönheit“ stellte die DDR um 1960 die Weichen für „Plaste und Elaste“ im Alltag. Doch trotz hoher Investitionen fiel es ihr schwer, mit westlichen Innovationen Schritt zu halten. Mitte des Jahrzehnts erschien Polyurethan am Horizont, marktreif gemacht vom westdeutschen Bayer-Konzern. Es drang in neue Anwendungsbereiche wie den Möbelbau vor. Spektakulär demonstrierte dies der aus einem Guss gefertigte „Panton-Chair“. Ebenso feierten bundesdeutsche Gestalter wie Ernst Moeckl und Peter Ghyczy mit fließenden Formen und intensiven Farben das von Konventionen befreite Lebensgefühl des POP-Zeitalters.
 

Begeistert von den Möglichkeiten, massenhaft Möbel aus Kunststoff statt aus Holz produzieren zu können, kaufte die DDR Anfang der 1970er Jahre in der Bundesrepublik Maschinen und Designs zur Herstellung von PUR-Möbeln. Bald produzierte sie mehr Kunststoffmöbel aus Polyurethan als jedes andere Land auf der Welt. Diese wurden als Zeichen des sozialistischen Fortschritts inszeniert, ohne die westdeutschen Ursprünge zu benennen. Daneben entstanden an Hochschulen und in Betrieben kreative Eigenentwürfe von ostdeutschen Formgestaltern für Möbel aus PUR, die teils aber keine Umsetzung fanden.
 

Die Ausstellung betrachtet die PUR-Möbelherstellung bis in die frühen 1980er Jahre und zeigt neben Fotos, Werbung und Filmauszügen zahlreiche ikonische und bislang wenig bekannte Möbelbeispiele – entworfen in der Bundesrepublik und der DDR. Sie blickt auf designhistorische und wirtschaftspolitische Aspekte und fragt nach dem künftigen Umgang mit dem schwer recycelbaren Material Polyurethan.
 

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und wurde gefördert durch die Bundesstiftung Aufarbeitung und BASF Schwarzheide GmbH. Das Museum Utopie und Alltag ist eine Einrichtung des Landkreises Oder-Spree und wird gefördert durch das Land Brandenburg.

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