Station: [112] Neue Straße 7: De Kösterschaul


F: In der Neuen Straße 7 steht seit 2012 ein grün verputztes Wohn- und Geschäftshaus. Zu Reuters Zeiten befand sich an dieser Stelle die Küsterei der Stavenhagener Stadtkirche, in der der Küster Voß wohnte und in der er auch eine Schule unterhielt.

Leider war Küster Voß alles andere als ein begabter Pädagoge. Fritz Reuter erinnert sich mit einer Mischung aus Amüsement und Grauen an den „vierschrötigen Einpauker“:

M (Zitat): „Er war ein Anhänger prophylaktischer Curen, er prügelte in der ersten Stunde Alle ohne Unterschied durch, damit seine Rangen inne würden, was ihrer harrete, wenn sie in den andern sich ein Vergehen zu Schulden kommen ließen.“

F: Die Lehrer des 19. Jahrhunderts wurden miserabel bezahlt. Daher wollten oftmals nur Persönlichkeiten wie Küster Voß diesen Job machen:

M (Zitat): „Hätte er seine Armkraft zum Holzhacken verwandt, so wären beide Theile, er sowohl, wie seine Schüler, besser daran gewesen, er hätte mehr verdient, denn […] er bezog nur wöchentlich einen Schilling pro Puckel.“

F: Doch seine Brutalität beschränkte sich nicht auf die Schule:

M (Zitat): „Außerhalb seiner Schulstube war dieser Pädagog ein ebenso gefürchteter Schläger, allerlei unheimliche Faust- und Schemelbein-Geschichten spukten durch sein Leben, und oftmals kam er mit einem blauangelaufenen Auge zu Platz – das andere war ihm einmal bei einer Schlägerei abhanden gekommen.“

F: Schließlich nahm Küster Voß ein ebenso groteskes wie unrühmliches Ende.

M (Zitat): „Dieser Schulmann starb nicht in seinem Beruf, sondern in dem Stavenhäger Wallgraben.“

F: … womöglich nach einer weiteren Prügelei oder einem Besäufnis. Oder beidem.

Foto: © Fritz-Reuter-Literaturmuseum