Station: [10] Geburtshaus von Max und Bruno Stern, Hauptstr. 39
M: Dieses Geschäftshaus aus den frühen 50er-Jahren hat die Schrecken des Krieges nicht erlebt. Jahrhundertelang hatte hier jedoch das Wohnhaus der alteingesessenen jüdischen Kaufmannsfamilie Stern gestanden – bis ihr Wohnhaus in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs abgetragen wurde. Wir erzählen Ihnen die Geschichte von Vater und Sohn, von Max und Bruno Stern.
F: Max Stern war ein angesehener Bürger dieser Stadt. Als stellvertretender Bürgermeister verfasste er 1930 das erste Heimatbuch Niederstettens. Für seine geliebte Stadt fand er gefühlvolle Worte:
Zitator : „Das Auge des Reisenden, welcher von der hohenlohischen Hochebene in das schöne Vorbachtal reist, wird, je tiefer er in das Tal kommt, von einem landschaftlich wunderschönen Anblick festgehalten. Ein mit alten Türmen bewehrtes Städtchen breitet sich im Tal aus, ansteigend sind die Häuser einem Hügel entlang gebaut, welcher von einem altersgrauen Schloss bekrönt wird. Rings um das Städtchen zieht sich ein Kranz fruchtbarer Gärten und auf allen Seiten ist der Ort von grünen Rebenhügeln umgeben. Es ist kein Wunder, wenn der Reisende sich für künftige Urlaubstage denkt: Hier ist gut sein!“
F: Da wusste er noch nicht, dass nur drei Jahre später die Nationalsozialisten diese wunderbare Idylle zerstören würden. Am 25.März 1933 stürmten sie Niederstetten und überfielen die jüdische Bevölkerung auf brutalste Weise. Sohn Bruno hat diesen Angriff in einem seiner Bücher über das jüdische Leben in Niederstetten festgehalten. „So war es“ heißt das Buch aus dem Jahr 1985.
M: „Nachdem der Arzt die schweren Verletzungen meines Vaters versorgt hatte, gingen meine Mutter und ich in die Synagoge, um zu erfahren, wie es den anderen Gemeindemitgliedern ergangen war. In der Mitte der Synagoge stand der 77-jährige Abraham Kirchhheimer, ein tief religiöser Mann. Die Arme zum Himmel erhoben rief er : „Gott, oh Gott, warum hast du uns verlassen ?“ Ich werde diesen Anblick niemals vergessen. Die verzweifelte Klage rührte allen Anwesenden das Herz. Auch Kircheimers Sohn, ein Veteran des Ersten Weltkrieges und ebenso guter Sohn wie auch Familienvater, war ja auch geprügelt und misshandelt worden. Eine Welt, eine gute Welt voller Nächstenliebe, Tradition, Hoffnung auf eine bessere Zukunft und Glaubensbereitschaft war an diesem Morgen erschüttert worden in der kleinen jüdischen Gemeinde von Niederstetten. Und diese Erschütterung ging bis auf den Grund.“
F: Trost fanden die Jüdinnen und Juden damals noch in ihrer Synagoge. Sie stand in der Mittelgasse. Dort erwartet Sie eine weitere Hörstation.
Fotos: © Trüpschuch