Station: [6] Der Opferaltar


Quintus: So, hier stehen wir vor unserem Hausaltar, der eine zentrale Rolle in unserem Leben spielt. Bei uns hat jede Familie eigene Hausgötter, die unsere Ahnen verkörpern. Ihnen müssen wir Wein, Obst oder Kräuter opfern, damit sie jegliches Unheil von unserer Familie fernhalten. Wir sagen dazu: Do, ut des! Ich gebe, damit du gibst. Oder kurz: Eine Hand wäscht die andere. Das Opfer wird immer von meinem Vater, dem Patronus, ausgeführt. Ich werde also erst, wenn ich erwachsen bin, ein solches Opfer durchführen. Für Mädchen gibt es einen anderen Brauch: Meine Schwester wird, sobald ihr Hochzeitstermin feststeht, am Vorabend der Eheschließung den Göttern ihre Puppen und anderes Spielzeug opfern. Damit zeigt sie, dass sie nun endgültig kein Kind mehr ist. Manche Mädchen werden schon mit 12 Jahren verheiratet.

Valeria: Oh, musst du mit diesem Thema immer wieder anfangen? Du weißt, dass ich das hasse. Ich hoffe, dass sich so schnell kein Mann für mich interessiert.

Quintus: Wenn du weiterhin so schimpfst, könnte das gut sein! Das schreckt garantiert jeden Bewerber ab!

Valeria: Schön, dass wir das auch geklärt haben, Bruderherz! Dann wirst du mich nie los!!

Quintus: Komm, Valeria! Das war nicht böse gemeint. Lass uns lieber mit der Führung fortfahren!

Valeria: Unser Gast fragt mich gerade, wohin dieser schmale Eingang rechts von uns führt. Da sind wir so gut wie nie. Kommt! Lasst uns heute ausnahmsweise durch die Fauces gehen! Das ist der kürzeste Weg vom Atrium zur Küche, zur culina. Schau, wir laufen erst ein Stückchen nach rechts und jetzt gleich biegen wir in diesen schmalen Gang ein.

Quintus: Du musst unserem Gast schon erklären, was das ist.

Valeria: Hier in den Fauces halten sich meist nur unsere Sklaven auf. Daher nennen wir ihn auch den Sklavengang. Fauces bedeutet übersetzt Schlund, Rachen oder enge Stelle.

Quintus: Ich finde, das klingt irgendwie gruselig!

Valeria: Na, hat da jemand Angst? Schau, hier ist der Gang schon zu Ende. Geschafft! So, da hinten links geht es zur Küche. Ich höre schon, wie unsere Köchin Damaris mit dem Geschirr klappert. Wegen der Feier hat sie heute sicher alle Hände voll zu tun.

Damaris: Salvete, Valeria und Quintus! Wie ich sehe, habt ihr einen Gast mitgebracht. Aber – bevor ich es vergesse: Ich soll euch im Namen von Xanthippus an eure Hausaufgaben erinnern. Habt Ihr schon für den Griechischunterricht die Einleitung der Odyssee auswendig gelernt?

Valeria: Na klar, Damaris!  Ich beherrsche die ersten Zeilen. Außerdem gefallen mir die Irrfahrten des Odysseus. Seine Abenteuer sind so spannend! Hör zu – ich sage dir den ersten Vers auf: Andra moi ennepe mousa polytropon…

Damaris: Ja, du hast gut gelernt. Ich glaube es dir. Kommt, bleibt in bisschen hier in der Küche! Ich habe noch allerlei zu tun. Bald kommen die ersten Gäste! Wenn ihr Lust habt, könnt ihr mir helfen! Schaut euch ruhig um und seht, was ich schon alles vorbereitet habe.