Station: [17] Auswanderungsgepäck
Auswandererfrau: Los, los! Macht schon, Ingke, Marret… achtet auf unser Gepäck! Und verliert die beiden Kleinen nicht.
Kind: Ja, Mama!
Auswandererfrau: Ach, wenn wir doch schon auf dem Schiff wären! So viele Menschen habe ich noch niemals auf einem Fleck gesehen. Und das ist nur Bremerhaven. Wie soll es dann erst bei unserer Ankunft in New York werden!
He, seien Sie doch vorsichtig! Wir kommen alle auf das Schiff, keine Sorge. Sie müssen nicht so drängeln.
Von meiner Cousine, die letztes Jahr rübergefahren ist, habe ich schlimme Dinge gehört. Die Schiffsfahrt soll entsetzlich anstrengend sein. Unter Deck soll es ganz, ganz eng sein, weil so viele Menschen mitreisen. Richtig waschen kann man sich da nicht. Und wenn einer krank wird, kann man sich schnell anstecken. Da wird die Seekrankheit wohl noch das geringste Problem sein!
In meinem Koffer habe ich neben unserer Kleidung: unsere Bibel, meinen Schmuck, mein Trachtentuch und ein Blumenbild, das meine Geschwister mir geschenkt haben: Aus den Haaren unserer Familie haben sie mir eine hübsche Blume flechten lassen… damit ich sie immer bei mir trage. Ach!
Aber jetzt bloß nicht wehmütig werden. Schließlich wartet drüben mein geliebter Rickmer, euer Vater, auf uns. Auch wenn ihr euch kaum mehr an ihn erinnern könnt. Wie gut, dass er die Auswanderung vor zwei Jahren gewagt hat! Auf Föhr hatten wir nicht genug Land, um sechs hungrige Mäuler zu stopfen. Seefahrer konnte er auch nicht werden, weil eure Großeltern damals nicht das Geld für seine Ausbildung auf dem Festland bezahlen konnten. In Kalifornien hat er 65 Hektar Land kaufen können, für ganz wenig Geld. So viel Land hat auf Föhr kein einziger Bauer. Ich bin so gespannt, ob er schon viel geerntet hat. Und außerdem werden wir drüben auch andere alte Bekannte von Föhr wiedertreffen! Die sind auch ausgewandert und verdienen ihr Geld als Farmer oder Handwerker.
Jetzt aber los! Ingke, Marret, nehmt eure Schwestern an die Hand. Wir gehen an Bord!
Fotos: © Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum