Station: [355] Salman Schocken als Zionist
Salman Schocken wurde in die Zeit des Deutschen Kaiserreiches hineingeboren, als Juden und Deutsche per Gesetz gleichgestellt waren. Doch in der Bevölkerung war die Jahrhunderte alte Judenfeindlichkeit wach geblieben. Sie wandelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem neuartigen Antisemitismus mit rassistischen und völkischen Ressentiments. Der jüdische Schriftsteller Theodor Herzl suchte nach Wegen, dieser neuen Judenfeindschaft zu begegnen. Er begründete den modernen Zionismus. Ziel war es, einen jüdischen Nationalstaat in Palästina zu errichten.
Salman Schocken, dessen Elternhaus traditionell jüdisch geprägt war, engagierte sich in der Zionistischen Bewegung. Schlüsselerlebnis war für ihn die Lektüre eines Buches von Martin Buber, „Die Geschichten des Rabbi Nachman“ von 1906. Schocken schrieb später an Buber:
„Durch Ihr Rabbi Nachman Buch bin ich vor Jahren stark beeinflusst worden. […] Seitdem bin ich wieder zum lebenden Juden geworden.“
Martin Buber öffnete Schocken die Augen für den Reichtum des kulturellen Erbes des Judentums. Ähnlich wie die deutsche Kultur mit dem Nibelungenlied verwurzelt ist, wollte er die zionistische Bewegung über das jüdische Schrifttum kulturell verwurzeln Im Zeitalter der Assimilation, als Juden begannen ihre jüdischen Gewohnheiten und Bräuche aufzugeben, und vor dem Hintergrund des zunehmenden Antisemitismus wollte Schocken dem modernen Judentum eine Identität geben.
Als Kaufmann machte sich Schocken aber ebenso Gedanken über eine mögliche Wirtschaftsform in Palästina. Seinem liberalen Geist folgend, wollte er die Wirtschaft von der Politik abkoppeln. Damit stieß er unter den Linken und Gewerkschaften in der Zionistischen Bewegung auf scharfen Protest. Als sein Plan scheiterte, wandte er sich ausschließlich dem kulturellen Zionismus zu.
Im Ergebnis gründete Schocken das Institut zur Erforschung der hebräischen Poesie in Berlin. Seine Mitarbeiter ließ er nach einer Entsprechung für das „Nibelungenlied“ in der jüdischen Literatur suchen. Obgleich diese Recherchen erfolglos blieben, gelangte Schocken dabei in den Besitz vieler wertvoller Handschriften und Drucke, die seine Judaika- und Hebraika-Sammlung bildeten. Nach seiner Emigration aus Deutschland folgten ihm das Institut und die Sammlungen nach Jerusalem. Dort fanden sie in der von Erich Mendelsohn gebauten Schocken-Bibliothek ein neues Zuhause.
In Palästina engagierte sich Schocken stark für den Aufbau einer Hebräischen Universität. Gemeinsam mit dem Religionshistoriker und Philosophen Gershom Scholem gründete er das Institut zur Erforschung der jüdischen Mystik. 1940 reiste er in die Vereinigten Staaten, um Geld für die Hebräische Universität zu sammeln. Von dieser Reise kehrte er nicht zurück. Vermutlich fiel es ihm nicht schwer Palästina zu verlassen. Seine Themen stießen dort im Unterschied zu den USA auf wenig Resonanz.