Station: [253] Die Architektur


Bereits ab 1927 war über den Bau eines Kaufhauses in Chemnitz verhandelt worden. Nach Nürnberg und Stuttgart war es das dritte Bauprojekt, mit dem Erich Mendelsohn beauftragt wurde. Doch verzögerten sich die Verhandlungen, da Mendelsohn die Bauleitung an das konzerneigene Baubüro abtreten sollte. Erst im Sommer 1929 konnten die Bauarbeiten beginnen.

Das in Stahlbeton errichtete Gebäude zeigt im Grundriss ein Tortenstück. Bei der äußeren Gestaltung kam es vor allem auf die zur Straße gerichtete Fassade an, die aus abwechselnden Wand- und Fensterbändern besteht. Nur das Erdgeschoss mit den Eingangstüren und dem Schriftzug „Schocken“ darüber ist komplett verglast. Die fünf Verkaufsgeschosse ragen erkerförmig nach vorn, die Fassade ist aufgehängt. Es scheint, als würde sie über der Erde schweben. Dieser Eindruck entsteht vor allem durch das schmale Fensterband unmittelbar über der Verglasung im Erdgeschoss sowie die Treppenhäuser rechts und links, die einen vertikalen Rahmen bilden. In den drei oberen treppenförmig nach hinten versetzten Geschossen befanden sich Büros und Werkstätten der Kaufhaus-Verwaltung.

An der Wand sehen Sie das Schocken-Kaufhaus in einer historischen Luftaufnahme. Deutlich hebt es sich aus dem Stadtbild ab – ein Bauwerk der Moderne! Mit Mendelsohn engagierten die Schocken-Brüder einen Architekten, der dem Neuen Baustil verpflichtet war. Ihre ästhetischen und funktionellen Ansprüche sollten nicht mehr nur in ihren Produkten, sondern auch in der Architektur und Warenpräsentation zum Ausdruck kommen.

Bei der Eröffnung des Nürnberger Schocken-Kaufhauses 1926 sprach Erich Mendelsohn von einem neuen Zeitgeist und lieferte Argumente, warum er gerade diese Architektur bevorzugte:

„Klarheit, weil nicht nur Auserwählte, sondern Jedes Verstand sie verstehen soll. Einfachheit, weil gerade die beste Lösung auch immer die einfachste ist. […] Palastfassaden, Dekorationseingang und Puppenfenster sind weit zurück…“

Daran hielt sich Mendelsohn auch bei der Innengestaltung. Zwischenwände, Ornamente oder gemusterte Auslegware suchte man in den Verkaufsetagen vergebens. Die gesamte Gestaltung wirkte schlicht und edel: mit niedrigen Regalen und Verkaufstischen, glatt furnierten Schränken, Ledermobiliar, Glasvitrinen, Spiegeln und Kugellampen aus weißem Milchglas. Helles Tageslicht flutete herein.

An der Gestaltung hatten auch die Bauherren wesentlichen Anteil. So würdigte Salman Schocken in seiner Rede zur Eröffnung des  Chemnitz Kaufhauses den Verdienst seines Bruders Simon mit den Worten:

„[…] Mir ist sicher, mein Bruder Simon war ein Bauherr. Mein Bruder beherrschte alle Details, alle Voraussetzungen, alle Gesetze, aus denen ein Bau entstehen sollte. […] Mehr noch als beim Bau war es die Ausstattung […]. Und so werden Sie in diesem Hause […] keinen Einrichtungsgegenstand finden, der nicht durch die Hand meines Bruders gegangen wäre.“

Die Inneneinrichtung war – nach Nürnberg und Stuttgart – inzwischen standardisiert. Mendelsohn hatte für die Schocken-Kaufhäuser ein eigenes Corporate Design entwickelt, das auch Plakate, Prospekte und sogar die Bekleidung des Verkaufspersonals mit einschloss. Die Ausführung unterlag jedoch dem Baubüro des Schocken-Konzerns.