Station: [252] Ein Schocken-Kaufhaus in Chemnitz
Am 15. Mai 1930 wurde im Beisein der Direktion der Schocken KG, von Vertretern der Stadtverwaltung und des Oberbürgermeisters ein Schocken-Kaufhaus in Chemnitz eröffnet. Wie war dies möglich in einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs?
Der Crash an der New Yorker Börse im Oktober 1929 hatte die erste Weltwirtschaftskrise ausgelöst. Sie führte auch in Deutschland zu Massenarbeitslosigkeit, Lohn- und Gehaltskürzungen. Viele Warenhäuser mussten schließen. Laut Salman Schocken waren die Auswirkungen auch in einzelnen Abteilungen seiner Warenhäuser spürbar. Dennoch glaubte er an die Stärke seines Konzerns und damit an eine erfolgreiche Neugründung in Chemnitz. Hier sollte die größte Schocken-Filiale mit über 1.000 Angestellten entstehen.
Den Planungen waren wie bei allen neuen Standorten betriebswirtschaftliche Untersuchungen vorausgegangen: Wie war es um die Kaufkraft der Bevölkerung bestellt und wo sollte das neue Kaufhaus platziert werden?
„[…] solange wir an Gründungen denken, und das ist seit 1903, haben wir dauernd an Chemnitz gedacht“…
… erinnerte sich Salman Schocken. Die industrielle Revolution hatte Chemnitz zu bedeutendem wirtschaftlichem Aufschwung verholfen. Weiträumige Fabrikanlagen vor allem für den Maschinenbau waren entstanden. Die Stadt galt als „sächsisches Manchester“. So konnte Chemnitz um 1930 etwa 360.000 Einwohner verzeichnen – und die Kaufkraft der Bevölkerung war auch jetzt noch ausreichend hoch.
Als Standort für das neue Kaufhaus wählten die Brüder Schocken die Grundstücke Brückenstraße 9 bis 11 in der Chemnitzer Innenstadt. Ganz in der Nähe befanden sich der von vielen Pendlern genutzte Hauptbahnhof, die prachtvolle Königstraße und der beliebte Brückenmarkt. Zudem mündeten unweit zahlreiche Ausfallstraßen – ein Vorteil für Warentransporte und die erhofften Kundenströme aus dem Umland.
Das Chemnitzer Warenhaus verzeichnete trotz der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage gute Umsätze. Ein Grund dafür war eine neue Käuferschicht: Durch Gehaltskürzungen in den mittleren und oberen Berufsgruppen mussten diese Arbeitnehmer stärker auf ihre Ausgaben achten. Anstatt in teuren Fachgeschäften einzukaufen, suchten sie nun die günstigeren Kaufhäuser auf. Das hochqualitative Warenangebot zu günstigen Preisen bei Schocken hatte diese Käuferschicht offensichtlich besonders überzeugt.
Durch die erfolgreiche Entwicklung in Chemnitz konnte der Schocken-Konzern auch in den Krisenjahren 1930/31 Umsatzsteigerungen verzeichnen. So erwies sich die Geschäftsstrategie des Schocken-Konzerns nicht nur als extrem erfolgreich, sondern auch als krisenfest!