Station: [154] Einsteinturm Potsdam
Mendelsohn zeichnete in den Jahren des Ersten Weltkriegs auch Sternwarten und Observatorien. Den Beginn seiner Karriere markierte der Einsteinturm Potsdam. Mit ihm wurde er berühmt. Der 1924 eingeweihte Einsteinturm gilt als Ikone des Expressionismus, seine Formen waren revolutionär. Mendelsohn selbst charakterisierte den hier sichtbaren Stil gern mit „funktionaler Dynamik“. – Doch wie kam es eigentlich zum Bau eines solchen Turms?
1919 erhielt Mendelsohn den Auftrag der Einstein-Stiftung zum Neubau eines Sonnenlichtobservatoriums auf dem Potsdamer Telegraphenberg. Das Observatorium sollte dem Nobelpreisträger Albert Einstein zum Nachweis seiner Relativitätstheorie dienen. Vorausgegangen war ein langjähriger Austausch zwischen Mendelsohn und dem Astrophysiker Erwin Finley Freundlich über den Bau von Observatorien. Mendelsohn hatte bereits seit 1917 eine Reihe von Skizzen dazu angefertigt und diese in Modelle übertragen lassen.
Das Zentrum des Bauwerks bildet ein Fachwerkturm. Er trägt den so genannten Coelostaten, ein Spiegelsystem, das die Sonnenstrahlen senkrecht in ein unterirdisches Laboratorium leitet. Mit der äußeren Architektur hat der Coelostat keinen Kontakt.
Als Baumaterialien für den Turm hatte Mendelsohn Eisen und Beton vorgesehen. Damit war er seiner Zeit weit voraus, denn niemand war in der Lage seine Formensprache in Stahlbetonbauweise umzusetzen. So entstanden nur Kuppelkranz, Außenwände der Anbauten, Terrasse und Terrassentreppe in Beton. Der Turm wurde in Ziegelmauerwerk ausgeführt. Homogenität erlangte das Gebäude erst durch Überfangen mit ockerfarbigem Spritzputz.
Mit diesem Kompromiss war Mendelsohn als sowohl technisch als auch gestalterisch innovativer Architekt nicht zufrieden.. „Nie wieder“ hörte man ihn sagen, aber auch „Und doch ist es gut, dass der Turm steht“.
Der Einsteinturm hat die Zeiten überdauert und dient heute noch für wissenschaftliche Messungen. Er kann besichtigt werden. Mendelsohn verknüpfte bei diesem Bauwerk wissenschaftliche Erfordernisse und eigene Vorstellungen von Form und Gestalt zu einem einzigartigen Bauwerk. Die hier sichtbaren organischen Formen deuteten sich schon Jahre zuvor in seinen Skizzen an und wurden in Fachzeitschriften vielfach besprochen. Sie machten Mendelsohn berühmt. Der Turm war somit die Eintrittskarte Mendelsohns in das internationale Architekturgeschäft.