Station: [18] Auswandererschicksale
F: Waren die Auswanderer des 19. Jahrhunderts meist nach Kalifornien gegangen, so zog es die Föhrer, die im 20. Jahrhundert die Insel verließen, hauptsächlich an die Ostküste, nach New York.
F: Exemplarisch für die erste Auswanderergeneration steht Emilie Peters, genannt „Miele Gosche“. 1847 in Nieblum geboren, heiratete sie in den 1870er Jahren einen zurückgekehrten Auswanderer. Sie bekamen ein erstes Kind und gingen dann gemeinsam nach Kalifornien. Mit ihnen auf dem Schiff waren 50 weitere Föhrer – darunter auch Mieles Bruder.
Während die Männer nach Gold suchten, bekam Miele drei weitere Kinder, wusch die Wäsche der Goldgräber und wurde dafür mit Gold bezahlt. So konnte die Familie schon nach wenigen Jahren zurückkehren. Miele und ihr Mann kauften sich ein Haus in Boldixum und betrieben dort einen Laden und eine Gastwirtschaft. Sie sehen das Haus auf einem kleinen Gemälde in der Vitrine.
M: Miele Gosche überlebte ihren Mann um 47 Jahre. Sie war geschäftstüchtig und nicht auf den Mund gefallen – ein echtes Original. Eines Nachts beispielsweise, lange nach Ladenschluss, klopften ein paar Männer bei ihr und baten um einen heißen Grog. Miele, die schon im Bett gelegen und den Ofen gelöscht hatte, war nicht verlegen:
F: „Kamt man rin, ik häv noch warme Wader in de Wärmflasch.“
M: Die Auswanderer kommender Generationen gingen an die Ostküste und arbeiteten vornehmlich in den so genannten Delicatessen Stores, kurz „Delis“, in denen Feinkostwaren und vor allem Sandwiches und Salate „to go“, also zum Mitnehmen, verkauft wurden. Die Rezepte stammten oft aus ihrer alten Heimat. Neuankömmlingen wurde von bereits ausgewanderten Insulanern schnell ein Arbeitsplatz vermittelt und Englisch lernte man nebenbei, bei der Arbeit.
F: Die Arbeit war hart und konnte bis zu 16 Stunden am Tag dauern. Freie Tage waren selten. Doch wenn man genug Geld zusammengebracht hatte, hatte man die Möglichkeit, sich selbst in einen „Deli“ einzukaufen oder – besser noch – den eigenen „Deli“ zu eröffnen.
M: Unten in der Vitrine sehen Sie zwei Fotos von Föhrer Auswanderern, die dieses Ziel erreicht hatten und nun stolz vor bzw. in ihrem Laden posieren. Tatsächlich haben bis heute viele Föhrer Familien Verwandtschaft in Amerika und in den USA leben mehr Föhrstämmige als auf Föhr selbst!
Fotos: © Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum