Station: [2] Geschichte der Gedenkstätte


M: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Zivilisationsbruch – das sind Begriffe, mit denen wir heutzutage die Ungeheuerlichkeit der NS-Verbrechen zu erklären versuchen. Nach 1945 wurde die Beteiligung der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen an den Krankenmorden weitgehend verschwiegen. Trotz der hohen Anzahl an Toten setzte sich in der Nachkriegszeit die Auffassung durch, die Heil- und Pflegeanstalt Wehnen sei an der NS-Euthanasie nicht beteiligt gewesen.

F: Erst Mitte der 1990er-Jahre setzte die öffentliche Auseinandersetzung mit diesem Teil der nationalsozialistischen Vergangenheit ein. Der Oldenburger Historiker Ingo Harms veröffentlichte damals seine Untersuchung mit dem Titel „Wat mööt wi hier smachten“ – Was müssen wir hier hungern. Harms wies nach, dass mindestens 1.500 Menschen in der Anstalt Wehnen durch den Entzug von Nahrung und medizinischer Versorgung umkamen.

M: Betroffene Familien wurden daraufhin aktiv und schlossen sich zum „Gedenkkreis Wehnen“ zusammen. Ihr Anliegen ist es, die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten und ein öffentliches Bewusstsein für die Verbrechen der NS-Psychiatrie zu schaffen. Als erstes Zeichen öffentlicher Anerkennung stiftete die niedersächsische Landesregierung im Jahr 2001 ein Mahnmal auf dem Klinikgelände. Im April 2004 wurde schließlich die Gedenkstätte „Alte Pathologie“ eröffnet. Die Initiative dazu ging von einer Gruppe von betroffenen Angehörigen aus. Besonderen Verdienst daran hatten Edda Minssen, Afra Cassens-Mews und Gertrud Knöttig.

F: Wie konnte sich dieser Massenmord entwickeln? Wer war dafür verantwortlich? Wie hat die Öffentlichkeit reagiert? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Dauerausstellung der Gedenkstätte. Die wirtschaftlichen Aspekte, das heißt wer hat von den Krankenmorden profitiert, werden in unseren Studien „Buchhaltung und Krankenmord“ aus dem Jahr 2016 sowie in „Der Verband“ aus dem Jahr 2021 untersucht.

Foto: © Gedenkkreis Wehnen e.V.