Station: [6] Weule-Werke - Graham Gang
Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begann die fabrikmäßige Fertigung von Turmuhrwerken. Die Uhrenfabrikation Weule aus dem niedersächsischen Bockenem im Vorharz produzierte seit 1836 erfolgreich industriell gefertigte Turmuhren und exportierte sie in die ganze Welt. Die Ausstellung zeigt hier vier verschiedene Weule Uhren von 1884 bis 1905.
Alle Werke haben einen gusseisernen Rahmen mit goldenen Verzierungen und Räderwerke aus Messing.
Auch die lange Laufdauer der Werke machte die Firma Weule so erfolgreich. Die ausgestellten Uhren mussten nur einmal pro Woche aufgezogen werden.
Die kleine goldene Eule auf der Linse des Pendels ist das Markenzeichen des Unternehmens. Zusammen mit dem darüber thronenden W liest sich der Firmenname Weule. J F steht für den Firmengründer Johann Friedrich.
Schauen Sie von oben auf ein Weule Werk. Hier sieht man das Zusammenspiel zwischen Ankerhemmung und Pendel deutlich.
Diese Art der Hemmung heißt Graham Gang, erfunden von dem berühmten englischen Uhrmacher Georg Graham zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Periodisch im genauen Takt hält der gespreizte Anker mit seinen Paletten das Uhrwerk an. Die Zähne des Ankerrads fallen auf die Paletten des sich hebenden und senkenden Ankers. Durch diesen Impuls entsteht die Kraft, mit der die Schwingung des Pendels in Bewegung gehalten wird.
Der Pendelstab der Weule Uhren ist aus Holz gefertigt. Entsprechend behandeltes Holz dehnt sich bei Wärme weniger aus als Metall, das ist entscheidend, damit das Pendel immer die nahezu gleiche Länge behält und damit die Uhr ganz gleichmäßig läuft.
Kleine Längenabweichungen des Pendels können durch die Reguliermutter unter der Linse korrigiert werden. Geht die Uhr nach, schwingt das Pendel zu langsam. Die Mutter muss also angezogen werden, so dass die Linse höher hängt und sich das Pendel verkürzt. Die Erkenntnisse über die gesetzmäßige Abhängigkeit zwischen Pendellänge und Schwungdauer gehen übrigens auf die berühmten Pendelversuche des Universalgelehrten Galileo Galilei zurück.
Das hinterste Weule Werk von 1884 befand sich früher in einer Kirche im sächsischen Schönfeld. Dort läutete es für fromme Christen regelmäßig die Gebetsglocke durch eine Besonderheit:
Sehen Sie das goldene Zahnrad, das sich außerhalb des schwarzen Uhrenrahmens befindet?
Dieses Zusatzrad ist mit dem Schlagwerk verbunden. Es trägt die Inschriften Morgen, Mittag, Abend und ist mit Löchern versehen. Waren die Löcher mit Stiften bestückt, lösten sie je nach Radstand einen Hebel aus. Der setzte das Schlagwerk in Betrieb und die Betglocke läutete für die Gläubigen.
Das moderne Zeitalter taktete den Tag minutengenau ein, nicht nur beim Beten, auch beim Reisen. Die Uhrzeit war immer präsent, an Kirchen und auch an öffentlichen Gebäuden, wie bei der Postuhr rechts neben der ersten Fensternische.
Fotos: © Martina Bosse