Station: [52] Kathedralen aus Palmblatt
Ich seh dich! Und ich dich auch! Und ich dich auch! Und ich dich auch! Und ich dich auch!
Ja, ja, schon gut, Jungs. Ihr seht mich alle. Verstehe. Ihr seht ja auch alle gleich aus. Aber wer seid ihr?
Wir sind die mythischen Vorfahren unserer Menschen, der Abelam. Wir sind auf Palmblätter gemalt. Und wir hängen hoch oben am Giebel des höchsten Hauses im Dorf und blicken auf die Menschen hinunter. Streng und aufmerksam und mit stechendem Blick. Denn: Wir sehen dich!
Ja, ja, verstehe. Ihr hängt oben an einem Haus… aber das Haus…
Das gibt es nicht mehr. Das stand in einem Dorf auf Neu-Guinea, weit weg, vor langer Zeit. Das war das Zeremonialhaus des Dorfes. Sehr wichtig! Hier wurden die Jungen initiiert.
Zeremonial…? Initiiert? Wovon sprecht ihr?
Von geheimnisvollen Ritualen. Wenn ein Junge heranwuchs, musste er in einem langen und komplizierten Verfahren in die Welt der Erwachsenen aufgenommen werden. Das konnte Jahre dauern… und wir haben das mit strengem Blick überwacht.
Irgendwann war es soweit, dass die Jungen durch einen engen Eingang unten in unser Haus hineinkriechen mussten. Drinnen war es dunkel und nur einige Fackeln warfen ein flackerndes Licht an die Wände. Ringsum standen Figuren, die gruselige Fratzen zu schneiden und sich zu bewegen schienen. Flöten, Trommeln, seltsame Geräusche drangen an ihr Ohr. Das waren die Stimmen der Geister. Unsere Stimmen!
Erst wenn die Jungen diese Prüfung überstanden hatten, dann waren sie zum Manne gereift.
Dann durften sie sich im Schatten des großen Zeremonialhauses ausruhen.
Aber wir!... blickten weiterhin von oben auf sie herab. Als die Geister der Vorfahren… wir sehen jeden: Dich und dich und dich und dich und dich und dich…