Station: [9] Sommerrefektorium
M: Schweigend sitzen die Chorherren beim Mittagsmahl. Während sie die Kohlsuppe mit frischen Kräutern aus dem Würzgarten des Klosters löffeln, wandert ihr Blick durch den Raum. Wie schön ist das Sommerrefektorium, wie prächtig die Kapitelle, wie modern die Konstruktion des Gewölbes, das mit seinen Backsteingewölben auf nur drei massiven Säulen ruht. Und wie angenehm ist es hier in der Hitze des Sommertages. Denn zur Zeit der Chorherren ist der Raum zum Kreuzgang hin offen – so ist die Luft hier stets frisch und angenehm.
Für die Gestaltung des Raumes sind keine Kosten und Mühen gescheut worden. Die Steinsäulen hat man sogar auf einem Kahn aus Magdeburg hergebracht, denn so feine Kapitelle mit Akanthusblättern, Weinreben und Lilien kann man vor Ort nicht herstellen. Der gezackte Akanthus ist ein beliebtes Schmuckmotiv seit der Antike. Die Weinrebe erinnert die bibelfesten Chorherren an Christi Ausspruch an seine Jünger: „Ich bin der Weinstock, Ihr seid die Reben.“ Und die dreiblättrige Lilie ist seit langem das Symbol Marias, der Mutter von Jesus Christus. So hat der Bildhauer in der Schönheit der Ornamente zugleich christliche Botschaften versteckt.
F: Nachdem das Kloster Jerichow 1552 aufgelöst wurde, diente der große Raum jahrhundertelang für ganz andere Zwecke. Zuletzt, bevor die Klosterräume für die Besucher geöffnet wurden, hat man hier... Reifen gelagert. Heute präsentiert sich das Sommerrefektorium wieder in seiner ganzen mittelalterlichen Schönheit. Übrigens kann man in diesem besonders stimmungsvollen Raum auch heiraten – denn das Kloster ist eine Außenstelle des Jerichower Standesamts.
Foto: © Stiftung Kloster Jerichow