Station: [2] Der Dorfplatz
Hier auf dem Dorfplatz erinnert eine Brunnenfigur an Paul Mantz. 1993 hat der Bildhauer Kurt Grabert ihn am Scherbaum beim Bearbeiten einer Tierhaut dargestellt. Ihm zu Füßen liegt ein Fell. So fasst das Denkmal zwei Produkte des Gerberhandwerks zusammen: Leder und Pelze. Als Paul Mantz 2013 starb, starb mit ihm der letzte Gerber in Leustetten.
Es kommt nicht von ungefähr, dass dieser Brunnen auf dem Dorfplatz steht. Hier kam so ziemlich alles zusammen, was zur Gerberei gehört. Zuallererst das Wasser: Ohne Wasser lief beim Gerben gar nichts. Auf dem heutigen Gehweg vor dem Gasthaus Löwen floss früher der Dorfbach, ganz offen und unverrohrt. Am nördlichen Ortsrand, bei der Sägemühle, wurde der Dorfbach über ein Wehr, dem sogenannten Fallenstock, gestaut. Hier konnte das Wasser über einen offenen Kanal auf das Wasserrad der Lohmühle geleitet werden.
Mit dem Wasser des Dorfbaches wurde nicht nur die Gerberei, sondern auch eine Mahlmühle, eine Säge und eine Gipsmühle betrieben – erstaunlich, was so ein kleiner Bach mit seiner Wasserkraft alles erreichen konnte!
In der weiter oberhalb gelegenen Lohmühle nutzte man die Wasserkraft, um die zum Rotgerben benötigte Rinde zu schneiden. Auch die anderen Arbeitsschritte von der rohen Tierhaut zum widerstandsfähigen Hartleder erfolgten in der Lohmühle, viele davon unterstützt von Wasserkraft.
Doch bevor Sie dorthin gehen, schauen Sie sich noch auf dem Dorfplatz um und stellen sich elf kreisrunde Vertiefungen im Boden vor. Hier befanden sich einst die so genannten „Lohgruben“, die im Zuge der Dorfplatzgestaltung ausgegraben und entsorgt wurden.
In diese Lohgruben wurden die vorbereiteten Rinderhäute eingeschichtet. Zusammen mit der Lohe, also gemahlener Rinde, und Wasser ruhten sie mindestens vier Monate lang. Im Wasser lösten sich die Gerbstoffe in der Rinde, und die Häute reiften allmählich zu Leder. Das Aufschichten der Häute in den mit Holz ausgekleideten Lohgruben war ein kompliziertes Verfahren. Jede Grube hatte einen Durchmesser von etwa 2,20 Meter, was in etwa der Größe einer ausgebreiteten Kuhhaut entspricht. Jede Grube fasste 30 bis 40 Häute, die eingeschichtet und jeweils mit einer drei bis vier Zentimeter dicken Schicht frischer Lohe bedeckt wurden. Den Abschluss machte eine bis zu 12 Zentimeter dicke Schicht schon gebrauchter Lohe. Anschließend füllte man die Grube mit Wasser auf, verschloss sie mit Holzbohlen und beschwerte sie mit Steinen.
Das Umschichten der Häute nach etwa vier Monaten nannte man Umsetzen. Dabei wurden die Häute aus dem obersten, dem sogenannten ersten Satz, etwas tiefer gesetzt und die Lohe teilweise erneuert und umgeschichtet. Dies geschah so oft, bis sich alle Häute vollständig in Leder verwandelt hatten. Die Häute trieften und stanken. Es war eine schwere und unangenehme Arbeit.
Patrick Süskind hat in seinem Roman „Das Parfüm“ sehr anschaulich das harte und gefährliche Leben eines Gerbergehilfen geschildert. Der Junge Grenouille war von seiner Ziehmutter im Alter von 8 Jahren dem Gerber Grimal als Arbeitskraft übergeben worden und erfüllte ab diesem Alter alle Arbeiten, die anfielen.
Möchten Sie mehr über die Vorbereitung von Hartleder erfahren? Dann wählen Sie bitte die Nummer 12.
Alle Abbildungen: © Gemeinde Frickingen