Station: [1] Die Gerberei am Dorfplatz


Herzlich willkommen in Leustetten, einem Ortsteil von Frickingen am Bodensee. Wir stehen hier am Dorfplatz, den ein mächtiges Gebäude beherrscht. Hier wurde seit dem 18. Jahrhundert ein wichtiges und einträgliches Handwerk ausgeübt:

Die Lohgerberei. In dem stolzen Gebäude wurde das Leder für Pferdegeschirre, für Zaumzeug und Sättel, für Joch und Kummet hergestellt. Auch Gürtel, Schuhe und Stiefel wurden hier hergestellt. Ohne schwere Schuhe mit festen Ledersohlen wären die meisten landwirtschaftlichen und handwerklichen Berufe auch kaum auszuführen gewesen.

Um festes, widerstandsfähiges Leder zu erhalten, gerbte man Rinderhäute mit der Rinde von Eichen und Fichten, der sogenannten Lohe. Dieses vegetabile, also pflanzliche Gerbverfahren nennt sich Lohgerberei.

In dem vierstöckigen Fachwerkhaus am Dorfplatz befand sich über 120 Jahre lang die Gerberei von Leustetten. Das Gebäude wurde 1837 für den Gerber Johann Buchmann gebaut, dieser starb 1894 kinderlos und seine Witwe verkaufte es an die Gerberfamilie Mantz. Bis Ende des 20. Jahrhunderts lebte der letzte Gerber Paul Mantz in diesem Gebäude. Bis in die Sechzigerjahre wurden hier frische Tierhäute gegerbt und Leder hergestellt.

Der Betrieb in der zugehörigen Lohmühle, ein paar Schritte oberhalb gelegen und ebenfalls erhalten, wurde erst in den Neunzigerjahren eingestellt. Sie beherbergt heute das Gerbermuseum zur Lohmühle.

Das imposante Gerberhaus am Dorfplatz steht unter Denkmalschutz. Als Beispiel für ein typisches Handwerkerhaus des 19. Jahrhunderts zeugt es von der Blütezeit eines wirtschaftlich enorm wichtigen, aber anrüchigen Berufs.

Ja, anrüchig! Der Gestank muss schlimm gewesen sein, auch in einer Zeit, die nicht zimperlich war. Wenn man sich überlegt, was in dem alten Gerberspruch alles aufgeführt wird, dann würden wir unsere heutigen Nasen unwillkürlich zuhalten wollen:

In des Leders Werdegang
ist die Hauptsach der Gestank.

Kalk, Alaun, Mehl und Arsen
machen’s gar recht weiß und schön.

Eigelb, Pinkel, Hundeschiete
geben ihm besond’re Güte.

Drum bleibt stets ein Hochgenuss
auf den Handschuh einen Kuss.

Dieser Spruch bezieht sich auf die sogenannte Weißgerberei, in der Alaun als Gerbmittel diente. Mit der Alaungerberei wurde weiches, helles Leder hergestellt für Handschuhe oder feinere Kleidungsstücke.

In dem Gebäude am Dorfplatz waren neben den Wohnräumen für die Familie auch verschiedene Funktionsräume für die Gerberei untergebracht. Ganz oben im Giebel war der Einflug eines Taubenschlags. Denn auch der Taubenmist fand in der Gerberei Verwendung.

Auch das Vorgerben geschah hier, in den sieben Gruben des sogenannten Farbgangs, der sich im Erdgeschoss des südlichen Anbaus befand. Damit bezeichnete man die dunkle Fichtenrindenbrühe, in die die Häute eingelegt wurden, um sie bei zunehmender Konzentration zu festigen und anzufärben. Bei feinem Kalbs-, Ziegen- und Schafsleder war damit der Gerbprozess abgeschlossen. Es sollte weich und geschmeidig bleiben für die Weiterverarbeitung zu Taschen oder Zaumzeug.

Wenn Sie sich genauer über die Geschichte der Gerberei informieren wollen, dann drücken Sie bitte die Ziffer 9. Wenn Sie mehr über die verschiedenen Gerbverfahren erfahren wollen, wählen Sie die Ziffern 10 bis 14.

Alle Abbildungen: © Gemeinde Frickingen