Station: [6] Lilienthals Vogelbeobachtungen
Jahrelang hatte Lilienthal den Flug der Vögel beobachtet: der Möwen, Reiher und Störche im heimischen Anklam, der Schwalben, Tauben und Spatzen in Berlin. Zeitweise staksten sogar einige junge Störche durch den Garten seiner Berliner Vorstadtvilla.
Lilienthal hatte verstanden: Es ist nicht die Muskelkraft der Vögel, sondern die Form ihrer Flügel, die es ihnen erlaubt, aufzusteigen. Seit seinem 18. Lebensjahr hatte er Experimente und Berechnungen angestellt, um dem Geheimnis des Vogelflugs auf die Spur zu kommen – oft mit Unterstützung seines Bruders. Nach mehr als zwei Jahrzehnten ist es dann soweit:
Im Oktober 1888 tritt er mit einem ersten Vortrag an die Öffentlichkeit:
„Das Fliegen ist ein mechanischer Vorgang, welcher uns von der Natur täglich vor Augen geführt wird. Während aber dieses Problem von der Natur in einer so vollendeten Form gelöst erscheint, bemühen wir Menschen uns seit den Anfängen unserer Geschichte vergeblich, den Vogelflug nachzuahmen.“
Vergeblich? Lilienthal wollte das ändern! Im Jahr darauf, 1889, erscheint sein wegweisendes theoretisches Werk „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“. Es ist das erste wissenschaftliche Werk zur Aerodynamik, deren Gesetze Lilienthal erforscht:
„Die wichtigste Erkenntnis dieser Jahre war die Entdeckung, dass gewölbte Tragflächen einen größeren Auftrieb liefern als ebene.“
Otto und Gustav Lilienthal waren damit nicht nur die Begründer des Menschenflugs, sondern auch einer ganzen wissenschaftlichen Disziplin: der Aerodynamik. Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und auch unser heutiges Wissen über Luftwiderstände und Strömungsverhalten basiert auf Lilienthals Beobachtungen und Versuchsreihen.
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„Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ ist Lilienthals Hauptwerk, die Quintessenz seiner Forschungen. Und es ist darüber hinaus noch ein schönes Buch: Alle Zeichnungen, und sogar das Frontispiz, das eine ruhig kreisende Storchenfamilie zeigt, stammen von Otto Lilienthal selbst.
Soviel zur Theorie. Noch 1889, im Jahr der Veröffentlichung, begann Lilienthal mit seinen praktischen Flugversuchen.
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Zitat 1: Seifert / Waßermann: Otto Lilienthal, Leben und Werk. Eine Biographie Hamburg: Urban 1992, S. 47
Zitat 2: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst, Berlin: 1889
Alle Abbildungen: © Lilienthal-Centrum Stölln