Station: [6] Tuchmacherschere und Distelkarde


Großenhain war viele Jahrhunderte lang eine Tuchmacherstadt. Ein großer Teil der Einwohner verdiente sein Geld mit der Herstellung von Textilien. Um 1800 werden 130 Tuchmacher in der Stadt genannt: Mehr als jeder vierte Handwerker gehörte der mächtigen Tuchmacherzunft an. Zu ihren wichtigsten Symbolen gehörte die Tuchmacherschere.

Es ist keine Schere, wie wir sie heute kennen, sondern eine Bügelschere und viel viel größer. Das ausgestellte Exemplar ist 1,35 Meter lang und fast 20 Kilo schwer! Sie besteht aus zwei miteinander verbundenen Bügeln, die vorn eine 60 cm lange und 20 cm breite Schneide besitzen. Das „Scheren“ diente der Veredelung von Textilien. Der Stoff lag dazu auf einem Schertisch, über den die Tuchschere bewegt und überstehende Wollfasern abgeschnitten wurden. Der Stoff fühlte sich danach schön glatt und dicht an.

Zur Weiterbehandlung von Stoffen diente auch die „Distelkarde“ in der Tischvitrine nebenan. An einem Holzgriff sind sechs Distelköpfe angebracht. Die verwendete „Weberdistel“ hat besonders lange dornenförmigen Spitzen. Die Tuchmacher benutzten die „Karde“ oder „Kratze“, um Gewebe aus Wolle oder Baumwolle aufzurauen. Flauschige Stoffe fühlen sich nicht nur schön weich an, sondern wärmen auch besser. Die Distelkarde taucht häufig neben der Tuschmacherschere als Zunftzeichen auf. Sie ist auch auf der ausgestellten Fahne der Großenhainer Tuchknappschaft abgebildet. Die reich bestickte Fahne von 1850 erinnerte an die lange Tradition des Gewerbes, die mit der Industrialisierung zu verschwinden drohte. Einige Jahrzehnte später wurde die Fahne zum Museumsstück.

Foto 1: Tuchmacherschere. © Museum Alte Lateinschule
Foto 2: Schertisch Heinrich Siebenburger Nürnberg 1564. © Museum Alte Lateinschule
Foto 3: Distelkarde © Foto Falk Terrey